Der „Jahrhundertwinter“ 1929
Andreas Eiynck
Auch schon vor den Zeiten des Klimawandels wurde gerne darauf verwiesen, dass die Winter früher viel kälter waren und reichlich Schnee brachten. Weihnachten lag ja früher angeblich immer Schnee – jedenfalls, wenn man Bilderbüchern, Ansichtskarten und den Erinnerungen der damaligen Kinder glauben möchte. Tatsächlich gab es genau wie Rekordsommer und Jahrhunderthochwasser immer wieder auch extrem kalte Winter, in denen selbst die Flüsse wochenlang zugefroren waren.
Einer dieser Rekordwinter ereignete sich 1928/1929. Wochenlang verzeichnete man Temperaturen von 28 bis 29 Grad unter Null. Es war einer der strengsten Winter des 20. Jahrhunderts, als selbst die Ems über Wochen mit einer dicken Eisschicht bedeckt war und die Emswehre zu Eis erstarrten.
Ein Zeitzeuge aus Meppen notierte: „Am Rosenmontag Mitte Februar zeigte das Thermometer den Rekordwert von minus 30 Grad. Nur die wichtigsten Dinge wurden draußen erledigt. Wer damals schon ein Auto besaß, musste in diesem Winter trotzdem häufig mit dem Fahrrad fahren, denn Frostschutz für das Auto gab es noch nicht. Das Kühlwasser musste nachts abgeladen werden oder der Motor wurde nachts mehrfach angelassen und warm gemacht.
Ansonsten lief alles zu Fuß. Dick vermummt, Schals um den Kopf gewickelt zum Schutz der Ohren, die Hände tief in den Taschen vergraben. Ein Problem war das Heizmaterial. Heizung wie jetzt gab es in Privathaushalten nicht. In den alten Häusern auf dem Lande wurde, falls vorhanden, außer der Küche noch ein kleines Zimmer geheizt, wo sich die alten Leute und die Kinder aufhielten. Als Heizmaterial dienten selbstgetrockneter Torf und Holz. In den größeren Bauernküchen stand auch noch der Futterkessel fürs Vieh, der gleichzeitig als zusätzlicher Wärmespeicher diente.
Zu den materiellen Sorgen kamen noch die familiären. Die Grippe hauste damals ziemlich stark. Die ärztliche Versorgung war schlecht. Und die Kosten spielten eine große Rolle. Die Todesfälle im Winter 1928/29 waren so hoch wie sonst in zehn Jahren zusammen. In manchen Familien gab es zwei, ja sogar drei Todesfälle.