Butternde Hunde

20.10.2020 Kathrin Schulte

Ein Hundegöpel im Museumsdorf Cloppenburg. Fotograf: Josef Lücking 2008, Wikipedia Commons.

Butternde Hunde

Sebastian Schröder

Die Herstellung von Butter gestalteten sich einst als äußerst anstrengend. Vom Euter der Kuh bis zum verzehrbaren Lebensmittel war es ein weiter Weg. Kein Wunder also, dass sich die Menschen schon früh mit Gerätschaften und Techniken behalfen, die diesen Prozess vereinfachten.

Ausgangspunkt der Butter ist Sahne oder Rahm. Wenn ungesäuerte Rohmilch nicht behandelt wird, entmischt sie sich und trennt sich in Rahm und Magermilch. Aufgrund des hohen Fettgehalts schwimmt Sahne auf der Magermilch und kann abgeschöpft werden. Anschließend wird sie in ein Butterfass (mundartlich auch als „Karne“, „Kirne“ oder „Kerne“ bezeichnet) gegeben. Darin wird er gestampft und geschlagen, wodurch sich der fetthaltige Masseanteil von der restlichen Flüssigkeit scheidet – Butter und Buttermilch entstehen.

Weit verbreitet waren sogenannte Stoß- oder Stampfbutterfässer, stehende hölzerne Behältnisse, in denen ein Stößer auf- und abbewegt werden konnte. Als technische Innovation sind die liegenden Schlagbutterfässer anzusehen, in denen mittelst einer Kurbel eine horizontale und mit Schlägern versehene Welle angetrieben wird. So oder so: Beim „Buttern“ war menschliche Muskelkraft notwendig!

Ein Butterfass mit einem Laufrad für Hunde im Museum in Kommern. Foto: Steffen Heinz Caronna 2011, Wikimedia Commons.

Das änderte sich, als für Butterfässer alternative Antriebsformen entwickelt wurden – beispielsweise mithilfe eines Hundes in einem Tretrad. Von derartigen Apparaturen berichten erstmals aufgeklärte Schriften in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ihren Ursprung hatte diese Innovation in den Niederlanden. Das Tier setzte dabei ein übermannsgroßes Laufrad in Bewegung, das wiederum den Stößer antrieb. Damit der Hund seine Arbeitsstätte nicht verlassen konnte, war die Gerätschaft von einer hölzernen Einfassung umgeben. Dabei musste der tierische „Energielieferant“ seine Arbeit erst erlernen. Der niederländische Historiograph Johannes Le Francq van Berkhey beschreibt diese „Schulung“ im Jahr 1811 dergestalt: „Das Laufen im Rad bringt man dem Hunde folgendermaßen bei: Man wählt dazu gewöhnlich junge Doggen oder Schäferhunde, legt ihnen ein Halsband mit Leine an und befestigt den Strick an den Radständern; der Hund braucht nur soviel Spiel, wenn er das Laufen lernen soll, daß er nicht zu wild und zu hoch gegen die Tritthölzer angeht, da dann das Rad zu schnell und zu ruckhaft sich drehen würde. Die Leine verhindert auch das Zurückspringen, wodurch das Rad falsch herumliefe. Wenn man den Hund anlernt, sollte kein Rahm im Butterfaß sein, damit wartet man, bis der Hund den richtigen Tritt kennt, was in der Regel sehr rasch geschieht.“

Butterfass, Hof Heuner, Dortmund-Brechten, 1959, Fotograf: Ulrich Bauche, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 0000.15455.

Wie die Technik nach Westfalen kam, schildert der Agrarwissenschaftler Johann Nepomuk von Schwerz. Als er im Jahr 1816 die Gegend um Bocholt bereiste, entdeckte er auf dem Hof des Bauern Johann Wilhelm Boß genannt Bußmann in der Bauerschaft Sporck beziehungsweise Thüshausen ein Hundetretrad. Bußmann „war vor einiger Zeit auf der holländischen Grenze, sahe einen Hund buttern, und sogleich mußte der seinige das Handwerk treiben.“ Besonderen Anklang fand die hundebetriebene Butterkarne in Ostfriesland. Hier existierten große Höfe mit ansehnlichen Kuhherden. Folglich besaß die Butterproduktion dort eine besondere Bedeutung. Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass sich frühe Exemplare dieses technischen Gerätes vor allem im Norden Deutschlands erhalten haben.

Im Museumsdorf Cloppenburg ist beispielsweise auf der Hofanlage Quatmann ein Butterstoßfass zu bestaunen, das von einem Hund angetrieben wurde. In einer etwas anderen Ausführungsart existiert dort auf dem Hof Wehlburg ein weiteres hundebetriebenes Butterfass – Fachleute sprechen von einem „Rollbandgöpel“. Dabei marschiert der Hund auf einem schräg angeordneten Laufband, an das in diesem Fall ein Schlagbutterfass angeschlossen ist.

Auch im LVR-Freilichtmuseum Kommern in der Eifel ist eine ähnliche Konstruktion zu entdecken. Hier treibt die Hundetretmühle ein Schlagbutterfass an. Ursprünglich verrichtete das Haustier im rheinländischen Korschenbroich seinen Dienst; dort stand der Hof Heyerhof, ehe er in das Museum mitsamt der hundebetriebenen Butterkarne transloziert wurde.

Der Hundegöpel im Freilichtmuseum Cloppenburg. Foto: Christof Spannhoff.

Es gab also verschiedene technische Ausgestaltungen dieser sogenannten „Hundegöpel“. Allgemein versteht man unter einem Göpel eine Apparatur, die Bewegungs- in Antriebsenergie umsetzt. Bekannter als die Hundegöpel sind diejenigen Anlagen, die von Pferden in Gang gesetzt wurden. Während die Kraft der bellenden Vierbeiner nur für den Betrieb kleinerer Maschinen genügte, konnten die Huftiere auch Mahlmühlen oder Dreschmaschinen zum Laufen bringen.

Den Lohn ihrer Mühen – die fertige Butter – durften die Hunde übrigens nicht ernten. Auch die vor der Schnauze des Tieres aufgehängte Wurst blieb aufgrund des sich ständig drehenden Laufrads unerreichbar. Der Genuss der Butter war den Hofbesitzern vorbehalten, sofern sie das wertvolle Veredelungsprodukt nicht auf den lokalen Märkten an wohlbetuchte Kunden veräußerten. Denn es ist davon auszugehen, dass hundebetriebene Butterkarnen nicht nur zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse eingesetzt wurden. Ganz im Gegenteil produzierte man über den eigenen Bedarf hinaus. „Butternde Hunde“ sind demzufolge nicht nur ein Merkmal landwirtschaftlicher Innovation und Technisierung, sondern zugleich Signum der sich mehr und mehr verstärkenden Marktanbindung bäuerlicher Produktionsweisen.

 

Literatur: Kaiser, Hermann, Ein Hundeleben. Von Bauernhunden und Karrenkötern (Materialien zur Volkskultur. Nordwestliches Niedersachsen, Bd. 19), Cloppenburg 1993.