„Auskehr des Häßlichen“, Teil 3.

14.08.2020 Kathrin Schulte

Auskehr 3 Bild 1: Dieser Abschnitt des Flugblattes vergleicht unverputzte Rohbauten im Ortsbild mit bunten Flicken auf dem schwarz-weißen Kleid einer Bäuerin. (Quelle: WHB 1939, 2. Aufl.)

Zwei Flugblätter und die Spur der Ausstellung

Das von Gustav Wolf 1939 erwähnte Flugblatt zur „Auskehr des Häßlichen“ befindet sich nicht im Archiv für Alltagskultur in Westfalen. Nach einigen erfolglosen Recherchen und Anfragen konnten allerdings zwei Exemplare in der Diözesanbibliothek in Münster ermittelt werden. Ein Zufallsfund gelang zudem im Kreisarchiv Warendorf.

Eingeheftet in eine Akte des Altkreises Warendorf zum „Westf. Heimatbund“ (Kreisarchiv WAF, Altkreis WAF, B 317) ist ein Flugblatt der ersten Auflage. Die Akte enthält zudem einen WHB-Rundbrief vom 30.05.1939 mit näheren Informationen. Laut Alfons Runte, Geschäftsführer des Westfälischen Heimatbundes, sei die erste Auflage in Höhe von 5.000 Stück nur in den Kreisen verteilt worden, welche von der ‚Westfalenfahrt der Alten Garde‘ besucht wurden. Es wäre „aber der Wunsch des Gauleiters und Oberpräsidenten Dr. Meyer und des Leiters des Westfälischen Heimatbundes Landeshauptmann Kolbow, daß die guten Erfolge, die der Feldzug zur Reinigung westfälischer Ortsbilder bisher schon gebracht hat, nicht auf die Orte an der Fahrtstrecke der Alten Garde beschränkt bleiben sollen, sondern daß vielmehr die Arbeiten auf ganz Westfalen ausgedehnt werden“ (Runte 1939). Kurz: Intendiert war die gauweite Nutzung der erarbeiteten Vorgaben zur Ortsbildpflege über das einmalige Ereignis hinaus.

Runte warb daher für eine zweite Auflage. Die Flugblätter seien gedacht für die „Verteilung durch die Amts- und Gemeindebürgermeister, die Heimatvereine und Ortsheimatpfleger u. a.“ (Runte 1939). Er wies allerdings darauf hin, dass die nachgedruckten Flugblätter ein anderes Vorwort enthalten würden als das mitgesandte Probeexemplar.

Die beiden identischen Flugblätter in der Diözesanbibliothek Münster stammen aus der zweiten Auflage; sie unterscheiden sich lediglich im Vorwort von dem in Warendorf verwahrten Exemplar.

Das neuere Vorwort, ebenfalls von Gauleiter Meyer verfasst, nimmt keinen Bezug mehr auf die Vorbereitung der Westfalenfahrt, die zum Druckzeitpunkt bereits in der Vergangenheit lag. Ansonsten enthält es dieselbe Blut-und-Boden-Ideologie wie der bereits in Wolfs Aufsatz in Heimat und Reich abgedruckte Auszug (siehe Teil 2).

Auskehr 3 Bild 2: Das von Gauleiter Alfred Meyer verfasste Vorwort des Flugblattes in der zweiten Auflage. (Quelle: WHB 1939, 2. Aufl.)

Erneut war Wolf für die Bildauswahl und das Verfassen der Texte zuständig. Auch für das Flugblatt nutzte er Beispiele und Gegenbeispiele, wobei vor allem das seiner Ansicht nach Schlechte hervorgehoben wird. Zusätzlich sind die Zwischenüberschriften als einprägsame Handlungsaufforderungen formuliert, etwa „Säubert die Wände, schlämmt die Düsterlinge!“ oder „Befreit das Ortsbild von unnützen, störenden Zutaten!“ (WHB 1939). Wolfs Vorgaben zur Ortsbildpflege richteten sich beispielsweise gegen Rohbauten, Drahtzäune, übermäßige Außenwerbung und große Schaufenster. Die behandelten Themen entsprechen somit im Wesentlichen denen der Dia-Reihe. Allerdings sind nicht alle Bilder der Dia-Reihe auch Teil des Flugblattes.

Besonders interessant sind Wolfs Ratschläge zur Gestaltung von Tankstellen –zwar keine ‚traditionellen‘ westfälischen Gebäude, aber doch ein Betätigungsfeld der Heimatschutzarchitekten. Von Wolf wurde eine Tankstellengestaltung bevorzugt, die nur das absolute Minimum an Aufschriften und möglichst keinerlei Außenwerbung aufwies. Er richtete sich gegen „das marktreißerische Geschrei unnützer Schilder und Beschriftungen“ (WHB 1939).

Es bleibt die Frage nach der Ausstellung zur „Auskehr des Häßlichen“. Wolf hatte sie nicht nur als in ein weiteres Medium konvertierte und erweiterte Version des Lichtbildvortrags geplant, sondern wollte mit der Wanderausstellung eine möglichst große Besucherzahl erreichen.

Erstmals gezeigt wurde die Ausstellung 1939 auf dem Westfalentag in Minden. Für die Zeit danach ließen sich bislang nur einzelne Stationen ermitteln: Im Oktober 1940 war die Wanderausstellung in Warendorf zu sehen, 1941 wurde sie während der Kreisheimattagung in Lübbecke gezeigt, 1942 waren die Bildtafeln zumindest zeitweise zur Überarbeitung im Baupflegeamt Münster.

Der nächste Hinweis auf die Ausstellung stammt aus dem August 1945. Wilhelm Schulte (1891-1986), Geschäftsführer des WHB, schrieb in einem Brief an Gustav Wolf, dass die „Auskehr“ nun besonders benötigt würde. Er regte an, dass Wilhelm Brockpähler (1894-1980) im Auftrag des WHB nach dem Verbleib der Ausstellungsmaterialien suchen solle.

Brockpählers Schreiben an Wolf folgte im September 1945: Die „Auskehr“ habe sich zuletzt 1944 in Unna befunden und sei dort kriegsbedingt eingelagert worden. Laut Aussage des Unnaer Bürgermeisters wäre zwar alles Holz und Glas aus den Kisten entwendet oder beschädigt worden, doch das Bildmaterial sei überwiegend noch erhalten. Heute, nach 75 Jahren, gibt es keine Hinweise mehr auf den Verbleib der „Auskehr des Häßlichen“.

Brockpähler erwähnt in seinem Brief eine zweite Ausfertigung der Ausstellungsmaterialien. Dabei könnte es sich entweder um eine Art analoge ‚Sicherheitskopie‘ oder eine Möglichkeit weiterer Verbreitung durch parallel stattfindende Ausstellungen handeln. Diese zweite Ausfertigung befand sich jedoch „unter den Trümmern des Hauses Fürstenbergstr. 12“ (Brockpähler 1945). Ob die von Brockpähler vorgeschlagene Bergung der „Auskehr“ tatsächlich vorgenommen wurde, ist unbekannt. Sein ebenfalls geäußerter Vorschlag, die Ausstellung in Ordnung zu bringen und insbesondere in „Orten mit wenig Luftschäden“ (Brockpähler 1945) zu zeigen, wurde nie in die Tat umgesetzt.

Eine Wiederbelebung der „Auskehr des Häßlichen“ in der Nachkriegszeit erfolgte nicht. Stattdessen scheint das von Gustav Wolf im Auftrag des Westfälischen Heimatbundes und der Gauleitung erarbeitete Ortsbildpflegeprogramm trotz verschiedener Medienformate und seinerzeit großer Verbreitung verschwunden zu sein.

 

Quellen:

Brief von Wilhelm Brockpähler an Gustav Wolf, 26.09.1945, S. 1. LWL Archivamt, Archiv LWL, 710/751, Westfälischer Heimatbund, Allgemeines, Landesbaupfleger Wolf.

Runte, Alfons: Rundschreiben des Westfälischen Heimatbundes vom 30.05.1939. Kreisarchiv Warendorf, Altkreis Warendorf, B 317, Westf. Heimatbund.

Westfälischer Heimatbund (Hg.) (bearb. v. Gustav Wolf): Auskehr des Häßlichen, Heimkehr zum Schönen in Westfalens Heimatbild. Münster 1939: Hansa-Druckerei (2. Aufl.).