Briefe, Podcasts und Poetry-Slams erzählen vom Alltag Heranwachsender in der Corona-Pandemie. Ein Projekt der Gesamtschule Münster-Mitte

30.07.2021 Dorothee Jahnke

Collage einer Schülerin der Gesamtschule Münster-Mitte zum Projekt „Briefe an mein Zukunfts-Ich“. Foto: Binia.

Christiane Cantauw


2020/21 war auch für Schüler:innen und Lehrer:innen eine schwierige Zeit. Wegen der Corona-Pandemie hatte sich ihr Schulalltag grundlegend verändert. Distanzunterricht, Wechselunterricht, Hygienekonzepte, Homeschooling, digitaler Unterricht und vieles mehr verlangten ihnen enorme Flexibilität, Frustrationstoleranz und einen langen Atem ab. In der Öffentlichkeit stand dabei vor allem die Situation derjenigen im Vordergrund, die Schulabschlussprüfungen (Abitur, Mittlere Reife, Hauptschulabschluss) ablegen mussten.
Aber auch Grundschüler und Schüler:innen der Klassen 5 bis 9 waren von den Veränderungen massiv betroffen. In diesem Blog haben wir vor einiger Zeit unter der Überschrift „Corona ist gemein“ über ein Ausstellungsprojekt von Miriam Stölting und Anna Hünker berichtet, in dem Arbeiten von Kita-Kindern und Grundschüler:innen zum Thema Corona gezeigt wurden.
Ein ähnlich gelagertes Projekt ist „Briefe an mein Zukunfts-Ich“. Es wurde von Heike Prangemeier, Lehrerin für Deutsch, Latein und Darstellendes Spiel an der Gesamtschule Münster-Mitte mit Schülerinnen und Schülern der Klasse 9 realisiert.
Die Ergebnisse des Projekts werden im Alltagskulturarchiv aufbewahrt und legen für kommende Generationen Zeugnis ab über den Corona-Alltag von Schüler:innen. Ein Beispiel für die Einreichungen der Schüler:innen ist der Poetry-Slam von Karla Hummert. 

Karla Hummerts Poetry-Slam "Happiness". Video: Karla Hummert.

Im Gespräch mit mir hat Heike Prangemeier über das Projekt erzählt:

Was war die Initialzündung für Dein Projekt?

Als ich immer wieder aus der Distanz das Fach Darstellendes Spiel unterrichten musste, war ich begeistert, wie motiviert meine Schüler:innen waren. Sie erzählten aber auch frei von dem Druck, dem sie sich ausgesetzt fühlen und der zunehmend gefühlten Isolation. Einige sagten, sie wüssten nicht mehr, wo bin ich Privatperson und wo Schüler:in? Da habe ich mir überlegt, diese Zeitspanne für die Nachwelt festzuhalten.>

Wie lautete die konkrete Aufgabenstellung an die Schüler:innen? Wurden die Beiträge benotet? Wie wurde das in den Corona-Schulalltag integriert?

Schreibt einen Brief an die Zukunft, an bestimmte Personen, z.B. eure Enkel oder an die Generationen nach euch. Was wollt ihr, das sie von euch und eurem Erleben in dieser Zeit wissen? Inszeniert eure Briefe als Podcast, Filme, poetry slams … Eine Note gab es dafür, eine für sonstige Mitarbeit.

Wie haben die Schüler:innen auf die Projektidee reagiert? Was haben sie eingereicht?

Sie haben unterschiedliche Briefe eingereicht, kurze, lange oder sehr persönliche und welche, die den Alltag beschreiben. Alle haben besondere Einblicke in die Zeit gegeben und mir als Erwachsene in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet.

Du kennst sicher die Briefe und Bastelarbeiten der Kita- und Grundschulkinder, die unter dem Titel „Wir sind auch noch da“ an einem Bauzaun am Münsterschen Dom zu sehen waren. Was ist an der Perspektive der 15- bis 16jährigen anders?

Die Jugendlichen fühlten sich vergessen. Sie wollen sich ausprobieren, vergleichen, ihre Träume verwirklichen. Dabei aber fühlten sie sich lustlos, unmotiviert, verlangsamt. Ihre Sicht auf die Krise ist krasser und schonungsloser.

Was hast Du persönlich durch das Projekt gelernt/von dem Projekt mitgenommen?

Ich schätze die Offenheit meiner Schüler:innen sehr und bin sehr dankbar für die so persönlichen Einblicke. Die Schüler:innen haben sich solche Mühen gegeben, dass ich wirklich sprachlos war und bin. Ich nehme mit, wie wichtig es für sie ist, gesehen, gehört und in ihren Bedürfnissen wahrgenommen zu werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

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