Der alte Knopf des Dieners

15.11.2022 Peter Herschlein

Die Vorderseite des vergoldeten Knopfes zeigt das bekrönte Wappen einer Adelsfamilie (Foto: P. Herschlein)

Peter Herschlein

Schon aus dem Neolithikum (Jungsteinzeit) sind Knöpfe bekannt. Sie leisten Menschen also seit etwa 4000 Jahren gute Dienste. Angesichts einer derart langen Geschichte ist es wenig verwunderlich, dass sich im Laufe der Zeit unzählige Knopftypen, Fertigungsarten und Verzierungsstile entwickelt haben. Neben den Knöpfen der Alltagskleidung und Trachten kam im 18. und 19. Jahrhundert mit den Uniformknöpfen eine weitere Gattung an Knöpfen auf. Zu diesen Knöpfen lassen sich in gewisser Weise auch die Livreeknöpfe zählen. Was es damit auf sich hat, wird in diesem Beitrag anhand eines Knopffundes aus Westerkappeln erläutert.

Der circa zwei cm große Knopf wurde bei einer (genehmigten) Geländebegehung mit einem Metalldetektor auf der Fläche eines Neubaugebietes am Ortsrand von Westerkappeln geborgen. Aufgrund des vergleichsweise geringen Durchmessers ist davon auszugehen, dass der Knopf an einer Weste, Hose oder Gamasche getragen wurde. Die Knöpfe an Mänteln und Röcken hatten größere Abmessungen. Auf der Vorderseite ist ein bekröntes Renaissancewappenschild mit drei Herzen dargestellt. Die Herzen weisen eine deutliche Schraffur auf. Da Wappen nicht immer farbig wiedergegeben werden konnten, wurden die Farben, wie in diesem Fall, durch unterschiedliche Schraffuren zum Ausdruck gebracht. Die sichtbaren Reste einer Vergoldung unterstreichen die Wertigkeit des Knopfes. Solche hochwertigen Knöpfe mit dem Wappen einer Adelsfamilie werden als „Livreeknöpfe“ bezeichnet, da sie an der uniformähnlichen Bekleidung der Dienerschaft einer Adelsfamilie, der Livree, getragen wurden.

Auf der Rückseite des Knopfes findet sich eine Herstellerangabe (Foto: P. Herschlein)

Einen Hinweis auf die Herkunft und Datierung des Stückes gibt die Rückseite des Knopfes. Dort befindet sich die Herstellerangabe „GEBRÜDER PÖSCH BERLIN“. Diese Angabe ermöglicht zudem eine zeitliche Einordnung des Fundstückes. So geht aus einem alten Industrie-Verzeichnis (Sandler 1873) hervor, dass im Jahr 1799 in Berlin eine Metallknopffabrik durch „J. C. Poesch“ gegründet wurde. Im Jahr 1939 erwarb Poesch ein Werk in Gottow bei Berlin, welches 1849 auf seinen Sohn Ernst Poesch überging. Dieser nahm 1869 seinen Schwiegersohn Wilhelm Schwechten jun. als Geschäftsteilhaber auf. Aufgrund der Angabe „Gebrüder“ auf der Rückseite des Knopfes, ist die Herstellung des Knopfes somit in die Zeit nach 1869 einzuordnen. Das sagt freilich noch nichts aus über den Kauf und die Nutzung.  Für letztere bildet das Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung einen Schlusspunkt, da mit der Abschaffung der Adelsprivilegien auch die Livreen obsolet geworden waren.   

„Der korrekte Diener“ (Aus: Heinrich XXVIII. Prinz Reuß zu Köstritz: ''Der korrekte Diener. Handbuch für Herrschaften und deren Diener'', Gemeinfrei, Quelle: Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=899111)

Die Idee das männliche Dienstpersonal mit einer einheitlichen Kleidung auszustatten war bereits seit dem 17. Jahrhundert weitverbreitet und reicht bis in das Mittelalter zurück. Zunächst war das Tragen von Livrees auf adelige Familien beschränkt, bis es auf andere Bereiche, wie zum Beispiel das Hotelwesen, übertragen wurde. Die Livreen der Dienerschaft dienten den Adeligen dazu, sich von anderen sozialen Gruppen abzugrenzen. Eine besondere Bedeutung fiel dabei den Knöpfen an dieser Kleidung zu. So waren die Knöpfe nicht nur als Verschluss oder Schmuck angebracht, sondern erfüllten eine eindeutige Funktion: Da häufig das Wappen der adeligen Familien abgebildet wurde, hatten die Knöpfe einen Wiedererkennungswert und repräsentierten auf diese Weise die jeweilige Familie bzw. Herrschaft.

Für die Knopfindustrie hatten die Livreeknöpfe eine große wirtschaftliche Bedeutung. Neben der Herstellung von Knöpfen für militärische Uniformen sicherte die Produktion von Livreeknöpfen ein gewisses Auftragsvolumen. So ist von etwa 20 bis 40 Knöpfen je Livreeuniform auszugehen. Da die Gestaltung der Wappenknöpfe an heraldische Regeln gebunden war, waren die Livreeknöpfe allerdings keinen modischen Wandlungen unterworfen und konnten viele Jahrzehnte ge- und benutzt werden. Einem Schreiben aus dem Jahr 1903 der Berliner Knopffirma „Hensel und Schuhmann“ an das Fürstlich Thurn und Taxissche Hofmarschallamt sind die Preise für feuervergoldete Knöpfe zu entnehmen. Für 144 größere Knöpfe lag dieser bei M 95,-, und für die mittleren und kleineren Knöpfe bei M 63,- bzw. M 50,- (Kliegel 2002, 216).

 

 

Kupferstich mit dem falsch dargestellten Tecklenburger Wappen aus dem Wappenbuch von Franz Johann Joseph von Reilly, 1791 (Sammlung/Foto: P. Herschlein)

Doch welcher Adelsfamilie lässt sich der Knopf aus Westerkappeln zuordnen? Für die Beantwortung dieser Frage schien es zunächst sinnvoll, die Wappen der regionalen Adelsgeschlechter zu betrachten. Tatsächlich fand sich in einem alten Wappenbuch ein passendes Wappen. Im 1791 vom österreichischen Verleger Franz Johann Joseph von Reilly (1766-1820) herausgegebenen Wappenbuch findet sich auf der 27 Wappentafel ein Wappen, welches drei rote Herzen in gleicher Anordnung wie auf dem Knopf zeigt. Die Abbildung ist mit „Die Grafschaft Tecklenburg“ beschriftet. Jedoch zeigt das Stammwappen der Grafen von Tecklenburg nicht wie in Reillys Wappenbuch fälschlicherweise dargestellt drei rote Herzen, sondern richtigerweise drei rote Seeblätter. Eine korrekte Darstellung des Wappens findet sich beispielsweise im Wappenbuch des Westfälischen Adels von Max von Spießen (1901/1903). Erstmals nachweisen lassen sich die drei Seeblätter im Wappen der Tecklenburger Grafen in der Abschrift einer Wappenrolle aus dem Jahr 1198. Wieso gerade drei Seeblätter für das Wappen gewählt wurden, ist unbekannt.

Wappen der Freiherren Morawitzky von Rudnitz (Aus: Konrad Tyroff, Wappenbuch der österreichischen Monarchie, Bd. 11, Gemeinfrei, Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=28587470)

Sollte der Hersteller bei der Gestaltung des Knopfes demnach auf die falsche Abbildung des Tecklenburger Grafenwappens zurückgegriffen haben? Ein solcher Fehler scheint auszuschließen zu sein. Denn für die Produktion der Livreeknöpfe bekamen die Knopfproduzenten in der Regel Zeichnungen als Vorlage zugesandt. Die Graveure arbeiteten diese dann in eine entsprechende Gravur um. Von den Auftraggebern wäre also ein solch grober Fehler reklamiert worden. Doch um welches Wappen könnte es sich dann handeln? Nach längerer Suche fand sich ein weiteres Wappen, welches der Darstellung auf dem Knopf gleicht. Es handelt sich um das Stammwappen der Freiherren Morawitzky von Rudnitz. Das Wappen mit den drei roten Herzen existiert seit 1271. Eine entsprechende Abbildung findet sich in Konrad Tyroffs „Wappenbuch der österreichischen Monarchie“ von 1839.

Ungeklärt bleiben wird wohl die Frage danach, wie der Knopf einer polnischen Adelsfamilie nach Westfalen gekommen ist. Denn eine Verbindung des Adelsgeschlechts Morawitzky ins Tecklenburger Land konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Möglicherweise gelangte der Knopf gar nicht über den Angestellten einer Adelsfamilie an seinen Fundort, sondern über einen Händler, der diesen als Musterexemplar mit sich führte. Denn oftmals verkauften die Knopfproduzenten ihre Knöpfe auch über reisende Händler. Diese brachten ihren Kunden Musterkarten mit, auf denen verschiedene Knopftypen zur Auswahl angebracht waren. Vielleicht gelangte der Knopf auch erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Westerkappeln. Mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung wurden alle standesgemäßen Vorrechte des Adels in Deutschland abgeschafft. Daneben führten auch notwendig gewordene Sparmaßnahmen an den Adelshöfen zur Abkehr von einer livrierten Dienerschaft. . Die nun nicht mehr benötigten Livreen wurden zum Teil verkauft. Mit den ausrangierten Kleidungsstücken deckten sich unter anderem Theater und Filmgesellschaften ein. Es ist also auch möglich, dass der Knopf über diesen Umweg erst lange Zeit später nach Westerkappeln gekommen ist.

Auch wenn die genaue Herkunft des Knopffundes im Verborgenen bleibt, ist der Fund ein eindrucksvolles Zeugnis der repräsentation adeliger Familien bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein. Die Beschäftigung mit diesem kleinen Fund hat gezeigt, welche sozialgeschichtlichen, alltagskulturellen oder wirtschaftsgeschichtlichen Themen und Erkenntnismöglichkeiten ein Knopf bergen kann.

 

Literatur und Quellen:

Bernsdorf, E.: Livreen und ihre kulturelle Bedeutung für die Fürstenfamilie von Thurn und Taxis. Zur männlichen Dienstkleidung seit 1748 (Münster/New York 2020).

Herschlein, P.: Funde mit Geschichte(n). Sondengängerfunde aus Westerkappeln (Westerkappeln 2019).

Hostert, W.: Geknöpfte Heraldik. Eine Einführung in die Welt der Bilderknöpfe. Lüdenscheider Knopfbuch 1. Teil: Uniformknöpfe: 1. Geknöpfte Heraldik (Lüdenscheid 1997).

Kliegel, M.:  Des Dieners alte Kleider. Livreen und Livreeknöpfe – Ausgewählte Beispiele deutscher Adelshöfe des 19. Jahrhunderts (Münster 1999).

Kliegel, M.: „An den Knöpfen sollt Ihr sie erkennen“. Der Knopf an Livreen und Ziviluniformen des 19. Jahrhunderts – eine Spurensuche. In:  Hindges, H.: Nach Rang und Stand. deutsche Ziviluniformen im 19. Jahrhundert - eine Ausstellung im Deutschen Textilmuseum 24. März bis 23. Juni 2002 (Krefeld 2002) S. 210-218.

O. Verf., Historisch-heraldisches Handbuch zum Genealogischen Taschenbuch der gräflichen Häuser (Gotha 1855).

Reilly, F. J. J. von: Wappenbuch (o. O. 1791).

Sandler, Ch. Handbuch der Leistungsfähigkeit der gesamten Industrie des preussischen Staates. Mit einem durch ein umfassendes Fabrikaten-Register zum integrierenden Bestandtheile des Werkes bearbeiteten Adressen-Anzeiger (Leipzig 1873).

Spannhoff, Ch.: Die Ursprünge der Wappenzeichen. Seeblätter bleiben ein Geheimnis. Westfälische Nachrichten vom 30.08.2018.

Spießen, M. von: Wappenbuch des Westfälischen Adels, Bd. 1und 2 (Görlitz 1901/1903).

Tyroff, K.: Wappenbuch der österreichischen Monarchie", Bd. 11 (Nürnberg 1839).

Zedlitz, L.:  Neuestes Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam zum täglichen Gebrauch der Einheimischen und Fremden aller Stände (Berlin 1834).

 

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