„Ein besonderer Schatz“ - Ein Kinderbuch aus Dülmen erinnert an die Geschichte der jüdischen Familie Pins

16.01.2024 Marcel Brüntrup

Kathrin Schulte

Was verbindet einen Archäologen und eine jüdische Familie, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurde? Um sie dreht sich ein Bilderbuch aus Dülmen, das am 30. November 2023 vom dortigen Heimatverein der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Das 60seitige Büchlein wartet mit einer Rahmenhandlung auf, die sich um den Ausgräber Gerard rankt. Bei einer Grabung in der Dülmener Innenstadt stößt er auf die Reste des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hauses der Familie Pins. Diese Ausgrabung ist nicht fiktiv, sondern stand im Kontext der Planungen für das „Haus für Alle“ nahe der Dülmener Viktorkirche.

Bei dem von den Archäologen entdeckten Haus handelt es sich um das Wohnhaus der jüdischen Familie Pins. Zu dieser Familie gehörten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Louis Pins, der den Beruf eines Viehhändlers ausübte,  seine Frau Fanny Bendix und ihre 1906 geborene Tochter Johanna. Nach dem Tod Fannys 1924 heiratete Louis Jenny Rosenstein. Louis Pins war der Vorsteher der jüdischen Gemeinde von Dülmen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verschlechterte sich die Lage der Familie zusehends. Während der Novemberpogrome 1938 wurden sie von den Nationalsozialisten bedroht, ihre Wohnung wurde verwüstet und Louis wurde mit anderen  Jüdinnen und Juden aus Dülmen verschleppt und im Polizeigefängnis misshandelt. Aufgrund dieser traumatischen Erlebnisse beschloss die Familie Pins, nach Uruguay auszuwandern. Um die Ausreise vorzubereiten, reiste Louis häufiger nach Hamburg. Dort wurde er im Juni 1939 von der Gestapo festgenommen und unter dem Vorwand des „Devisenschmuggels“ im Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert, wo er nach Angaben der Polizei Suizid beging. Jenny und Johanna konnten schließlich im Dezember 1940 nach Uruguay fliehen.

In dem vom Heimatverein Dülmen herausgegebenen Buch mit Texten des Dülmener Pfarrers Markus Trautmann und Illustrationen von Bärbel Stangenberg wird die Geschichte der Familie Pins nicht nur nacherzählt, sondern auch eingeordnet: Es gibt Informationen zur jüdischen Gemeinde in Dülmen vor der NS-Zeit, zum Judentum selbst und zu jüdischen Festen. Auch die NS-Ideologie wird thematisiert. Das Buch ist in einfacher, kindgerechter Sprache verfasst. Die Illustrationen veranschaulichen die Handlungen und sind der Thematik angemessen.

Am Ende kehrt das Buch zur Rahmenhandlung zurück: Um die Geschichte der Familie Pins nicht komplett zu verschütten, wird auf dem Spielplatz ein „Bodenfenster“ geschaffen, das Einblicke in den Keller des Wohnhauses der Familie gewährt und an die Familie und ihren Wohnort erinnert. Auch weitere Ausgrabungen und ihre Ergebnisse werden kurz thematisiert – wohl auch, um die Akzeptanz der Bürger:innen für archäologische Ausgrabungen zu fördern. Am Ende des Buches gibt es noch ein Glossar, das einige der im Buch verwendeten Begriffe wie zum Beispiel „Pogromnacht“, „Davidstern“ und „Devisen“ in wenigen Worten gut verständlich erklärt.

Weitere Informationen zu Familie Pins, zum Archäologischen Fenster und auch zu jüdischer Geschichte gibt es unter https://hineinschauen.org/.

Auch der Heimatverein Dülmen informiert über dieses Projekt und bietet zahlreiche Informationen zur Lokalgeschichte: https://heimatverein-duelmen.de/.

 

Heimatverein Dülmen (Hrsg.): Ein besonderer Schatz. Eine Erinnerung an die Dülmener Familie Pins. Mit Texten von Markus Trautmann und Illustrationen von Bärbel Stangenberg. Dülmen 2023. ISBN: 978 3 00 076077 8.