„Töff, Töff-Heil, dem A.A.C.“. Automobilclubs bewerben das Autofahren

24.11.2023 Marcel Brüntrup

Christiane Cantauw

„Wir sind uns in Arnsberg voll bewußt, welche Bedeutung das Automobil und das Motorrad für das wirtschaftliche Leben besitzen. […] Vieles geschieht von allen Seiten, um den Verkehr heranzuziehen“, schrieb der Bürgermeister von Arnsberg, Dr. Schneider, in einem Grußwort anlässlich einer „Zielfahrt nach Arnsberg“.

Mit dieser Ausschreibung bewarb der Arnsberger Automobilclub eine Ziel- und Geschicklichkeitsfahrt in Arnsberg, die 1931 großes Publikumsinteresse hervorrief. (Foto: Kommission Alltagskulturforschung, Cantauw).

Der am 11. März 1930 gegründete Automobilclub Arnsberg, Mitglied im Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (A.D.A.C.), hatte die Veranstaltung am 13. und 14. Mai 1931 wohl initiiert, um Mitglieder für den noch jungen Verein zu gewinnen. Gleichzeitig erhoffte man sich in Arnsberg auch einen positiven Effekt auf den Tourismus, wie Bürgermeister Schneider in seinem Grußwort betonte: „Wir hoffen (…), daß mancher Automobilfahrer, der den Weg bisher noch nicht nach Arnsberg gelenkt hat, auf unsere Bergstadt aufmerksam gemacht und gerne wiederkehren wird.“

Für die geplante Veranstaltung ließ man eigens eine 32-seitige Broschüre drucken, die neben dem Grußwort und einem ausführlichen Veranstaltungsprogramm auf sieben Seiten auch Informationen über die Geschichte, die Sehenswürdigkeiten und Freizeitmöglichkeiten der sauerländischen Kleinstadt enthielt. Auch ein von „Frl. Leni Brand“ verfasstes 5-strophiges „Clublied“, aus dem der Titel dieses Beitrags entlehnt ist, fand Aufnahme. Die Broschüre wird in der Bibliothek der Kommission Alltagskulturforschung aufbewahrt.

Der Gründungs-Vorstand des Arnsberger Automobilclubs präsentierte sich auf Seite 5 in der Broschüre in eleganter Abendgarderobe (Foto: Kommission Alltagskulturforschung, Cantauw)

Vereinigungen von Automobilist:innen, in denen sich Motorradfahrer:innen und Motorwagenführer:innen organisierten, waren um 1930 in Deutschland längst keine Seltenheit mehr. Von sieben Clubs im Jahre 1900 stieg ihre Anzahl bereits vor dem Ersten Weltkrieg stark an. Waren es zunächst größere Städte wie Berlin, Frankfurt, Dresden oder Stuttgart, in denen sich die solche Vereine gründeten, so zogen in den 1920er Jahren auch die Kleinstädte nach. Überall bot sich allerdings dasselbe Bild: Die Vereinsvorstände rekrutierten sich fast ausschließlich aus dem Adel und dem Besitzbürgertum. In Arnsberg waren es Regierungs- und Baurat Wellmann (1. Vorsitzender), Direktor Christ. Siegmund (2. Vorsitzender/Sportleiter), Kaufmann Fritz Brand (Schatzmeister) und Hotelier Albert Schulte (2. Beisitzer), die den Verein 1930 ins Leben gerufen hatten. Ergänzt wurde dieses Honoratiorenquartett durch den Ingenieur Jos. Hoevel und den Prokuristen Richard Kogel.

Auf Seite 30 der Broschüre wurde auch das von „Frl. Leni Brand“ gedichtete „Clublied“ abgedruckt. Es dokumentiert in der zweiten Strophe u.a. die verbreiteten Motorwagentypen (Benz und Maybach) und die Geschwindigkeit, mit der sich die Autos bei solchen Veranstaltungen fortbewegten (70 km/h).

Ein Blick in das zweitägige Programm zeigt, dass es bei der Veranstaltung zu etwa gleichen Teilen um (Auto-)Motorsport und um publikumswirksame Unterhaltung ging: Nach dem Eintreffen der Fahrzeuge auf dem Arnsberger Neumarkt zwischen 16 und 19 Uhr fand ein Promenadenkonzert statt; für 20 Uhr war ein „bunter Abend“ mit Gedicht- und Gesangsvorträgen im Kurhotel Klosterberg geplant. Nach der Geschicklichkeitsfahrt am darauffolgenden Tag hatten die Fahrer:innen die Möglichkeit, mit ihren Automobilen an einem Blumenkorso durch Arnsberg teilzunehmen. Die nach Wertung der Jury am schönsten geschmückten Fahrzeuge drehten am Ende des Blumenkorsos drei Ehrenrunden um den Neumarkt. Ihren Lenker:innen winkten „Ehrenpreise mit entsprechender Widmung“, alle übrigen erhielten Erinnerungsplaketten. Die Siegerehrung und ein „gemütliches Beisammensein mit Ueberraschungen und Tanz“ beschlossen ab 19 Uhr die Veranstaltung.

Dass die Teilnahme an solchen Veranstaltungen nur für Wohlhabende in Frage kam, ist unschwer zu erkennen: Zwei Übernachtungen in Arnsberg oder Umgebung mussten gebucht und bezahlt werden, Gebühren für die Teilnahme an den verschiedenen Wettbewerben (insgesamt zwölf Reichsmark) waren zu entrichten, für den Blumenkorso wurde Blumenschmuck in Auftrag gegeben und bei den Abendveranstaltungen war vornehme Abendgarderobe Pflicht. Zudem konnte man nur teilnehmen, wenn man ein Automobil besaß und es auch selbst fuhr.

Die für die sogenannte Geschicklichkeitsfahrt vorgesehene Route führte in die nähere Umgebung von Arnsberg. Aufgabe der Teilnehmenden war es, die Strecke von insgesamt 11 Kilometern ohne Unterbrechung mit verdecktem Tacho dreimal in möglichst gleicher Geschwindigkeit zurückzulegen.

Das traf lediglich auf einen ganz kleinen Teil der Deutschen zu. Zwar waren 1932 bereits rund 497.000 Autos in Deutschland zugelassen; dazu zählten aber auch etwa 150.000 Lastwagen, die an derartigen Ziel- und Geschicklichkeitsfahrten nicht teilnehmen durften. Obwohl sich die Anzahl an Motorwagen auf Deutschlands Straßen innerhalb von zehn Jahren versechsfacht hatte, stellte ein Auto nach wie vor eine erhebliche finanzielle Belastung dar. Das lag zum einen an den hohen Anschaffungs-, Reparatur- und Unterhaltskosten, zum anderen aber auch an der Kraftfahrzeugsteuer und den Kosten für Kraftstoff, die auch im internationalen Vergleich enorm hoch waren. Hinzu kommt, dass das Fahren mit einem Motorwagen nicht einfach war, weshalb viele Autobesitzer einen Chauffeur beschäftigten.

So fanden sich in den Automobilclubs letztlich diejenigen zusammen, die sich den Luxus Auto leisten konnten und wollten. Sie blieben (zunächst) dank der Exklusivität ihres Hobbys unter sich. Das bedeutete aber nicht, dass sie ihre Interessen – darunter etwa der Ausbau des Straßennetzes oder das Werben um steuerliche Begünstigungen –  nicht publik zu machen verstanden. Veranstaltungen wie die Arnsberger Ziel- und Geschicklichkeitsfahrt waren dazu durchaus geeignet, denn über sie wurde in den Lokalzeitungen ausführlich berichtet. Ob als Teilnehmer:innen – die Polizei registrierte laut Central-Volksblatt vom 18. Mai 1931 1.800 Fahrzeuge, „die Arnsberg berührten“ – oder als Publikum: Zahlreiche Menschen kamen nach Arnsberg, was der örtlichen Gastronomie und Hotellerie nur recht sein konnte. Über solche Interessenskonvergenzen ließ sich letztlich auch die Akzeptanz des Autos vorantreiben.

Bis hin zur Massenmotorisierung war es aber noch ein weiter Weg. Als ein zentrales Hindernis auf dem Weg dorthin erwies sich in den 1920er Jahren die hohe Besteuerung nebst dem fehlenden Willen zu steuerlichen Begünstigungen. Sie führte zunächst dazu, dass die Inlandsnachfrage nach Autos in dieser Zeit nur gering ausfiel und in der Weltwirtschaftskrise ab 1929 sogar noch weiter zurückging. Die Autobauer reagierten darauf mit Rationalisierungsmaßnahmen und/oder Fusionierung, beispielsweise 1926 der Daimler-Motoren-Gesellschaft und der Carl Benz & Cie. zur Daimler-Benz AG.

Ziel- und Geschicklichkeitsfahrten oder Autorennen konnten daran nichts ändern. Sie hielten die Themen Auto und motorisierter Individualverkehr aber im Gespräch, zumal dann, wenn ein Arnsberger namens Nagel immerhin den zweiten Platz bei der Geschicklichkeitsprüfung errang und kein Geringerer als Willi Knote sich bei der Veranstaltung als Starter und Zeitabnehmer betätigte. Wille Knote hatte nämlich, wie das Central-Volksblatt am 18. Mai 1931 zu berichten wusste, „s.Z. als einzigster die Deutschland-Rundfahrt strafpunktefrei“ absolviert.

Quellen und Literatur:

Arnsberger Automobilclub im A.D.A.C. (Hg.): Ausschreibung zur Zielfahrt nach Arnsberg der Perle des Sauerlandes verbunden mit Geschicklichkeitsfahrt und Blumenkorso am 13. Und 14. Mai 1931, verbunden mit der Feier des I. Stiftungsfestes. o.O., o.J.

Grieger, Manfred (2019): Kleine Geschichte des Automobils in Deutschland. In: Das Auto (Aus Politik und Zeitgeschichte) 43, S. 12–18.

Haubner, Barbara (1998): Nervenkitzel und Freizeitvergnügen. Automobilismus in Deutschland 1886–1914, Göttingen.

Flik, Reiner (2001): Von Ford lernen? Automobilbau und Motorisierung in Deutschland bis 1933, Köln [u.a.].