Die Westerkappelner Heimatbücher von Friedrich Rohlmann

14.07.2023 Peter Herschlein

Das Titelbild des Heimatbuches von 1924 zeigt eine Darstellung der heiligen Reinhildis (Foto: Kultur- und Heimatverein Westerkappeln e.V.).

Peter Herschlein

Im Archiv des Kultur- und Heimatvereins Westerkappeln lagern mehrere Alben, die auf den ersten Blick recht unscheinbar wirken mögen. Bei genauerem Hinsehen fallen zunächst vor allem die kunstvoll gezeichneten Motive auf den Vorderseiten der Alben auf. Zumeist zeigen sie Szenen aus dem Ortskern, so sind beispielsweise das Friedhofstor, die Kanzel der evangelischen Stadtkirche oder verschiedene Fachwerkhäuser abgebildet. Es finden sich aber auch lokale Erinnerungsorte wie die Sloopsteene (Megalithgrab) oder eine Darstellung der heiligen Reinhildis. Neben den Abbildungen enthalten die Titelseiten stets die Aufschrift „Heimatbuch“ unter Hinzufügung des jeweiligen Jahres. Insgesamt sind 18 Jahrgänge aus den Jahren 1922 bis 1939 überliefert.

Ein Blick in das Innere zeigt, dass es sich um individuell zusammengetragene und gestaltete Materialsammlungen handelt. Anders als es die Aufschrift „Heimatbuch“ vermuten lässt, handelt es sich nicht um in einer höheren Auflage hergestellte und verbreitete Druckwerke, wie man sie unter dem Titel „Heimatbuch“ oder „Heimatjahrbuch“ aus verschiedenen Orten und Regionen kennt. Beim Blättern durch die einzelnen Alben stößt man auf eine Vielzahl unterschiedlichster Dokumente, die säuberlich eingeklebt wurden. Es finden sich neben Zeitungsartikeln und Fotos Programmhefte, Eintrittskarten, Flyer und vieles mehr. Doch bevor genauer auf den Inhalt der „Heimatbücher“ eingegangen werden soll, stellt sich die Frage, von wem und in welchem Kontext die Alben erstellt wurden.

 

Sorgfältig eingeklebte und beschriftete Fotos aus dem Westerkappelner Ortskern im Heimatbuch von 1927 (Foto: Kultur- und Heimatverein Westerkappeln e.V.).

Als Urheber der „Heimatbücher“ ist der aus Westerkappeln-Velpe stammende Friedrich Rohlmann (1889-1943) zu fassen, der als Lehrer an der Volksschule in Velpe tätig war. Dieser engagierte sich schon früh als Kreisheimatpfleger sowie im Schützenwesen. In den Jahren 1927 bis 1930 gab Rohlmann den „Tecklenburger Heimatkalender“ in Form eines Abreißkalenders heraus, der neben dem Kalendarium Beiträge und Fundstücke zur Heimatgeschichte des Tecklenburger Landes enthielt. Als sich im Jahr 1919 der aus der Gruppe „Die Hüter der Sloopsteine“ hervorgegangene „Verein für Heimatkunde Westercappeln“ gründete, war es Friedrich Rohlmann, der die Bestrebungen für eine Vereinsgründung maßgeblich vorangetrieben hatte. Mit diesem Gründungsjahr war der Westerkappelner Verein die erste heimatkundliche Vereinigung im Altkreis Tecklenburg. Weitere Vereinsgründungen in den Nachbargemeinden erfolgten in den kommenden Jahren. So wurden ab 1922 die Heimatvereine in Mettingen, Recke, Ibbenbüren und Tecklenburg gegründet und nach 1924 weitere Vereine in Lengerich, Riesenbeck und Hopsten.

 

 

Im Jahr 1922 unternahmen die Heimatvereine des Tecklenburger Landes eine gemeinsame Fahrt auf die Insel Juist (Foto: Kultur- und Heimatverein Westerkappeln e.V.).

Doch zurück zu den Alben: Die künstlerische Gestaltung der Titelbilder der „Heimatbücher“ hatte der Westerkappelner Maler und Kunsthandwerker Hermann Heinrich Hischemöller (1905 – 1968  übernommen. Hischemöller hatte auch die Motive der Erinnerungsscheine entworfen, die 1922 zum zweiten Westerkappelner Heimattag herausgegebenen worden waren.  

Die Heimatjahrbücher enthalten vor allem zahlreiche Zeitungsartikel, die Rohlmann zum Teil selbst verfasst hatte. Oft wird in ihnen von Veranstaltungen der örtlichen Heimatvereine berichtet. Diese umfassten Jugendwanderungen, geologische Führungen, Besuche von Festspielen oder Liederabenden. Als ein besonderes Freizeitangebot sei hier auf eine im Jahr 1922 durchgeführte Reise nach Juist hingewiesen. Bei der von Friedrich Rohlmann organisierten Fahrt reisten rund 600 Mitglieder der Heimatvereine im Tecklenburger Land mit einem Sonderzug von Ibbenbüren aus für zwei Tage auf die Nordseeinsel. In einem Zeitungsartikel, der sich dazu neben einer Reihe von Fotos im Heimatjahrbuch findet, schreibt Rohlmann: „Zum ersten Mal traten hiermit die Heimatvereinsmitglieder im größeren Verbande über die engen Grenzen der Heimat hinaus in eine den meisten Teilnehmern noch ganz fremde Welt, die doch ein Stück unserer deutschen Heimat ist“.

Auch Persönlichkeiten und Familien wurden fotografisch festgehalten und in die Heimatbücher aufgenommen (Foto: Kultur- und Heimatverein Westerkappeln e.V.).

Die Alben enthalten eine Reihe von Schwarz/Weiß-Fotografien. Die abgebildeten Motive beschränken sich dabei nicht auf das Gemeindegebiet von Westerkappeln, sondern zeigen Ansichten von Orten des gesamten Tecklenburger Landes. Hierbei fällt auf, dass auf einem Großteil der Fotografien Szenen und Motive dokumentiert wurden, die Kulturdenkmäler der Vergangenheit zeigen. So sind Fachwerkhäuser, Mühlen oder archäologische Denkmäler („Bauernwallburg“, Grabhügel, Landwehr) zu sehen. Des Weiteren wurden auch geologische Objekte wie Felsformationen oder Steinbrüche abgebildet. Auch Ortsansichten und Kirchen sowie Bauernhöfe zählen zu den häufigen Motiven.

Einen Gegensatz zu den zuvor genannten Motiven bilden Ansichten, die Eingriffe in die Natur und Landschaft dokumentieren. Hier sind vor allem die Fotos und Artikel zum Bau des Lengericher Eisenbahntunnels zu nennen. Auch die Bergwerksanlagen am Schafberg bei Ibbenbüren werden in verschiedenen Ansichten gezeigt.

Eine Reihe von Fotos zeigt zudem Westerkappelner Persönlichkeiten und Familien. Neben Fotos ortsbekannter „Originale“ und Familien sind auch bekannte Personen mit Westerkappelner Herkunft abgebildet. So findet sich beispielsweise ein Portrait von Christian Friedrich Goedeking (* 10. September 1770 in Westerkappeln; † 23. März 1851 in Berlin), der als preußischer Generalmünzdirektor in Berlin tätig war.

Einen weiteren Schwerpunkt bilden Fotografien, die sich dem Themenbereich Ritualkultur und Veranstaltungen zuordnen lassen. Hierzu zählen Aufnahmen von Schützenfesten, Tanzveranstaltungen oder Festumzügen durch den Ortskern.

Einen Schwerpunkt bilden Fotos, die sich dem Themenbereich Ritualkultur zuordnen lassen (Foto: Kultur- und Heimatverein Westerkappeln e.V.)..

Der Aufbau der „Heimatbücher“ durch Lehrer Rohlmann fällt in eine Zeit, die durch die fortschreitende Industrialisierung und die Mechanisierung der Landwirtschaft von erheblichen Veränderungen geprägt war. Diese Entwicklung wurde von einem Teil der Gesellschaft als negativ empfunden und führte zu einem Gefühl der Entwurzelung. In der Folge kam es zur Herausbildung zivilisationskritischer Reformbewegungen. Hierzu gehörte auch  die Heimatbewegung, die sich für die Gründung örtlicher Naturschutz- und Heimat(schutz)vereine engagierte. Die Heimatvereine als Vereinigungen interessierter Laien widmeten sich  neben dem Sammeln und Überliefern von materiellen Dingen und Erzählungen auch der Pflege des Landschafts- und Ortsbildes.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Fotos und Dokumente in Rohlmanns Heimatbüchern, spiegeln sich hier viele Tätigkeitsfelder und Sichtweisen der Heimatbewegung wider. Wir erhalten einen tiefen Einblick in die aufkommende Heimatbewegung und die Gründungsjahre der Heimatvereine im nördlichen Tecklenburger Land. Umso bedauerlicher ist der Umstand, dass die ersten beiden Bände der Westerkappelner „Heimatbücher“ heute nicht mehr aufzufinden sind. Besonders der erste, auch als „Sloopsteinbuch“ bezeichnete Band dürfte viele Informationen zum Gründungsgedanken des Westerkappelner Heimatvereins enthalten. Die Bände der letzten beiden Jahre 1938 und 1939 sind hingegen nicht fertiggestellt worden. Nachdem die Aktivitäten des Vereins zurückgegangen waren, gibt es aus den Kriegsjahren keine Berichte über ein aktives Vereinsleben mehr. Friedrich Rohlmann starb am 26. Mai 1943, erst 1947 wurde die Vereinsarbeit wiederaufgenommen.

Insgesamt konnten an dieser Stelle nur kurze Einblicke in den umfangreichen Bestand der „Heimatbücher“ gegeben werden. Da sich viele Aspekte für eine genauere Betrachtung eignen, wird in Zukunft hier bestimmt noch einmal davon zu lesen sein.

Literatur und Quellen:

Ditt, Karl (2001): Die westfälische Heimatbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen Nationalismus und Regionalismus. In: Heimatpflege in Westfalen 14/2: 2-11.

Rohlmann, Friedrich: Westerkappelner Heimatbücher 1922-1939. (Archiv des Kultur- und Heimatvereins Westerkappeln e. V.).

Rohlmann, Friedrich (1930): Tecklenburger Heimatkalender 1930 (Velpe 1930). Bibliothek der Kommission Alltagskulturforschung für Westfalen, Signatur: Z 13.

Schröer, Heinz (2009): Heimatbewegung zwischen den Weltkriegen. In: Unser Kreis 2009. Jahrbuch für den Kreis Steinfurt. S. 28-31.

Wulfes, Dieter/Kuhnt, Wolfgang/Böhlke, Gunter/Wienkämper, Wieland (2012): Kultur- und Heimatverein Westerkappeln e.V. In: Vertrautes und Neues der Heimatvereine im Kreis Steinfurt, 11/2012. S. 21-26.

 

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