„Aprilsonne und Jugendfreundschaften haben selten lange Halt“

04.08.2020 Niklas Regenbrecht

Schäfer galten in der agrarisch strukturierten Gesellschaft als Wetterpropheten. Schäfer, Nesselbachtal, Hochsauerlandkreis, zw. 1920-1950, Fotograf: F. Grobbel/Archiv für Alltagskultur.

„Aprilsonne und Jugendfreundschaften haben selten lange Halt“

Bauernregeln im Archiv für Alltagskultur

Kim Wessel

Bevor die Meteorologie wissenschaftlich fundierte Aussagen über Klima und Wetter ermöglichte, stützten sich Vorhersagen auf Beobachtungen, die in Kalendern oder in Form von Merksätzen festgehalten oder mündlich weitergegeben wurden. Als Wetterpropheten galten in vergangenen Jahrhunderten unter anderem Schäfer, die sich bei ihren Prognosen auf Wind, Wolken, Luftveränderungen und das Verhalten der Schafe stützten. Daran angelehnt ist auch die in Hennen (Märkischer Kreis) verzeichnete Redensart "De Schöper hödt" ("Der Schäfer hütet"), wenn die sogenannten Schäfchenwolken am Himmel zu sehen waren.

Festgehalten wurden die Wetter- und Klimabeobachtungen oft in Form von sogenannten Bauernregeln.  Diese waren weit verbreitet und zum Beispiel auch im antiken Rom und Griechenland oder in Vorderasien bekannt. Bauernregeln lassen sich in drei Kategorien unterteilen: „Wetterregeln“, die das Wetter der nächsten sechs bis zwölf Stunden vorhersagen, die „Witterungsregeln“ als langfristige Vorhersagen und die „kalendergebundenen Klimaregeln“, bei denen es um die durchschnittlichen jährlichen Witterungsabläufe geht. Eine Wetterregel ist beispielsweise „Ein Ring um den Mond, der Regen drin wohnt.“ Eine Witterungsregel lautet „Liegt nach Sonnenuntergang über Flüssen, Bächen und Wiesen ein dichter Nebel, so ist anhaltend schönes Wetter zu erwarten.“ In manchen der Gewährsleuteberichte, die im Archiv für Alltagskultur archiviert sind, finden sich auch ein paar Regeln, die aus dem Rahmen zu fallen scheinen. So heißt es, dass es in Lavesum (Kreis Recklinghausen) Regen gebe, „wenn man die sechs Kilometer entfernte Oberhauser-Rheinbahn hören könne“.  In dieser Regel dokumentiert sich eine Beobachtung, deren Ursache wohl in einem sich verändernden Luftdruck liegt. Er brachte nicht nur Regen, sondern im Vorfeld auch eine veränderte Akustik.

Wetterhahn. Bocholt, 1950er Jahre, Fotograf unbekannt/Archiv für Alltagskultur.

Die kalendergebundenen Klimaregeln sind unter den Bauernregeln am häufigsten. Hierzu zählt die in Deutschland verbreitete Regel „April, April, der macht, was er will“, die auf das oft wechselhafte April-Wetter hinweist. Doch nicht nur mit dem April, auch mit den übrigen Monaten im Jahresverlauf verbanden sich Regeln: „Auf viel Regen im Januar folgt ein nasser Frühling.“ „Wenn im Februar der Nordwind nicht will, kommt er sicher im April.“ „Donnert es im März, so schneit es wohl noch im Mai.“ „Viele Eicheln im September, viel Schnee auch im Dezember.“ Auch Festtage waren Eckpfeiler für Wetterprognosen, wie beispielsweise die Regel „Weihnachten im Klee, Ostern im Schnee“ oder „Grüne Weihnachten, weiße Ostern.“ Die Regel „Ist es in den ersten August-Wochen heiß, so bleibt es oft lange warm“ traf zuletzt in Deutschland häufiger zu. Die Variante „Kommt August mit großer Hitze, macht der Winter weiße Witze“ hat sich dagegen in den letzten Jahren nicht bewahrheitet.

Ob die Bauernregeln zumindest überwiegend zutrafen, lässt sich schwer sagen. Denn über die Jahre und Jahrzehnte hinweg gab es teils gravierende Klimaverschiebungen, die den Beobachtungen der kalendergebundenen Klimaregeln nicht entsprachen. Insofern können die Bauernregeln eigentlich als Wahrscheinlichkeitsaussagen bezeichnet werden.

Die umfangreiche Sammlung von Bauernregeln im Archiv für Alltagskultur kann zwar nicht zur Vorhersage des Wetters der nächsten Tage dienen, aber sie zeigt, wie viel Interesse unsere Vorfahren an dieser Frage hatten, war ihre Abhängigkeit von Wetter und Klima doch eine sehr unmittelbare.

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