Archivbestände vorgestellt: „… uns zog es mit Macht in die weite, weite Welt…“ – Die Sammlung des Sauerländischen Gebirgsverein im Archiv für Alltagskultur

01.04.2021 Niklas Regenbrecht

Handgemaltes Plakat des Sauerländischen Gebirgsvereins, ca. 1950er Jahre, Archiv für Alltagskultur, Teilsammlung SGV.

Dörte Hein

„Ein Verein zum Erleben.“ So bezeichnet sich einer der größten bundesweit aktiven Wander- und Freizeitvereine – der Sauerländische Gebirgsverein (SGV), dessen beinahe 33 000 Mitglieder die Leidenschaft für das gemeinsame Erwandern der Natur teilen. Der vor über 130 Jahren gegründete Verein bietet mit seinen Ortsgruppen gegenwärtig vor allem in den Feldern Wandersport, Radwandern und Nordic Walking Tageswanderungen, Freizeiten sowie Wander- und Bildungsurlaube an.

Wanderung des SGV, 1955, Archiv für Alltagskultur, Teilsammlung SGV, Inv.Nr. 0000.S3727, Fotograf:in unbekannt.

Die im Archiv für Alltagskultur aufbewahrte Sammlung zum Sauerländischen Gebirgsverein, wurde im Rahmen des Ende der 1980er Jahre von der Volkskundlichen Kommission durchgeführten Forschungsprojektes zur „Geschichte des Fremdenverkehrs im Sauerland“ angelegt. Sie wird als Teilbestand der dokumentarischen Sammlung „Fremdenverkehr im Sauerland“ geführt und besteht im Bereich des Vereinsschriftgutes überwiegend aus Kopien und vereinzelten Originalen von Vereinsakten örtlicher Abteilungen, die für das Projekt aus den Vereins- und Stadtarchiven zusammengetragen wurden. Darunter befinden sich Protokolle und Tätigkeitsberichte zu Jahreshauptversammlungen, ebenso wie Wanderpläne, Festschriften, Presseberichte oder auch die Korrespondenz zwischen den Abteilungen und der Hauptgeschäftsstelle des Sauerländischen Gebirgsvereins in Hagen und später in Arnsberg hauptsächlich aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Mit den Worten „…uns zog es vielmehr mit Macht in die weite, weite Welt hinaus...“ beschrieb beispielsweise Wilhelm Wiestmann, ein Mitglied des Soester SGV, ein grundlegendes Bedürfnis, das einer Gruppenwanderung vorausgegangen war. Sein Wanderbericht ist mit anschaulichen Fotografien und Zeichnungen versehen und wurde zu einem vom Hauptverband ausgelobtes Preisausschreiben eingereicht. Aus dem Zeitraum 1939 – 1940 liegen sechs Originale solcher Schilderungen von Wanderungen von Mitgliedern verschiedener Ortsabteilungen vor, die in der Hauptgeschäftsstelle in der Hoffnung auf Veröffentlichung eingegangen waren.

Wanderbericht von Wilhelm Wiestmann über „Eine kleine Wanderung in den Mai“, 14.05.1939, S. 1. Archiv für Alltagskultur, Teilsammlung SGV, vorl. Inv. Nr. SGV 39.
Abbildung der Soester SGV-Wandergruppe im Wanderbericht von Wilhelm Wiestmann über „Eine kleine Wanderung in den Mai“, 14.05.1939, S. 4. Archiv für Alltagskultur, Teilsammlung SGV, vorl. Inv. Nr. SGV 39.

Ergänzt werden die Aktenfragmente durch Bibliotheksgut wie Liederbücher, Prospekte oder auch einzelne Ausgaben der früheren Vereinszeitschrift, dem „Sauerländischen Gebirgsboten“, der von 1893 bis 1974 vom Hauptverband herausgegeben wurde. Auf diese Zeitschrift folgten die „Sauerland-Zeitung“ (1974/1975-2000) und das bis heute erscheinende Vereinsmagazin „Kreuz & quer“ (2000-heute). Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch die vorhandenen historischen Wanderkarten; gehörte doch zu den Aufgaben des SGV auch stets das Markieren der Wanderwege und die Herausgabe von Wanderkarten mit den aktuellen Wegenetzen.

Besonderes Augenmerk verdient die beim Sauerländischen Gebirgsverein entstandene und aus bestandserhaltenden Gründen an das Archiv als Dauerleihgabe übergebene Bildsammlung, die in beeindruckender Weise u.a. die Vereinsaktivitäten von der Jahrhundertwende bis etwa in die 1970er Jahre dokumentiert. Fotografien von vereinseigenen und deutschlandweiten Wandertagen und Gebirgsfesten, Vereinsjubiläen, Porträt- und Gruppenfotos ehemaliger Mitglieder sind ebenso vorhanden wie auch Aufnahmen von den Aktivitäten vor Ort, von den Anfängen der Jugendherbergsbewegung und von den Jugendgruppen in Zeltlagern und bei Tageswanderungen. Hinzu kommen Landschafts- und Naturaufnahmen, die u.a. vermutlich auch Teil der in den 1930er Jahren angefertigten 25 Glasbildreihen waren. Die mit „fertig ausgearbeiteten Vorträgen“ versehenen Bildreihen konnten für Vereinsabende von den SGV-Abteilungen gegen eine Gebühr entliehen und mit einem „Lichtbildwerfer“ gezeigt werden. Neben dem fotografischen Material gehören auch drei Filme aus den 1950er-1960er Jahren zur Sammlung, welche die Gebirgsfeste in Arnsberg und Iserlohn dokumentieren.

Mit ca. 4 600 Fotografien, 1 250 Kleinbilddias und 850 Glasplatten haben wir hier eine beachtliche fotografische Rückschau auf die Geschichte eines wichtigen Akteurs in der Heimatbewegung, der weit über die Grenzen des Sauerlandes hinaus Bedeutung erlangte.

Im Rahmen des Forschungsprojekts zur „Geschichte des Fremdenverkehrs im Sauerland“ wurde jedoch nicht nur die Bildsammlung des SGV übernommen, auch fand ein Teil der Prospekt- und Bildsammlung des Landesverkehrsverbandes Westfalen in Dortmund Einzug in das Archiv. Diese Vielzahl an visuellen und schriftlichen Materialien bildete schließlich die Grundlage für eine 1992 im Sauerlandmuseum in Arnsberg eröffnete Ausstellung, die sich u.a. mit der Geschichte des Reisens, der Verkehrserschließung und des Wanderns im Sauerland seit dem 19. Jahrhundert wie auch mit der Gründung und Entwicklung des Sauerländischen Gebirgsvereins beschäftigte. Die dazugehörige Ausstellungsdokumentation befindet sich ebenfalls im Archiv für Alltagskultur.

Abzeichen ( drei Eichenblätter) und Mitgliedsausweis von 1934 des Sauerländischen Gebirgsvereins, Archiv für Alltagskultur, Teilsammlung SGV.

Gegenwärtig erscheint das Bedürfnis nach Bewegung und Erholung in der Natur aktueller denn je. Nicht nur der Drang nach psychosozialem Ausgleich, sondern auch das bewusste Wahrnehmen von Landschaft, Tier- und Pflanzenwelt treibt Menschen aus ihren vier Wänden. Wandervereine sind historisch und aktuell nur eine von vielen Möglichkeiten, mit diesem Bedürfnis umzugehen:

„Nach kurzem Marsch erschien uns eine Stelle an dem Ufer der Ruhr zur Mittagsrast geeignet. Die fertigen Butterbrote waren nach kurzer Zeit verzehrt, und unsere Blicke schweiften weit hin über die Ruhr, die grünen Wiesen und Weiden und die Häuser und Dörfer bis zu den waldigen Bergen des Sauerlandes. ‚O Täler weit, o Höhen, o frischer grüner Wald!‘“ (Wanderbericht von Wilhelm Wiestmann, Eine kleine Wanderung in den Mai, 1939)