Der erste münsterländische Mais wurde in Tecklenburg angebaut

10.09.2019

Münsterländische Mais-Impressionen. Foto: Christof Spannhoff.

Der erste münsterländische Mais wurde in Tecklenburg angebaut

Landrat Ludwig von Diepenbroick-Grüter war Pionier des Maisanbaus

Freiherr Ludwig (Louis) von Diepenbroick-Grüter (1804–1870) war von 1831 bis 1870 Landrat des Kreises Tecklenburg. Foto: Kreisarchiv Steinfurt.

Christof Spannhoff

Er prägt heute wie fast keine andere Nutzpflanze das Kulturlandschaftsbild des Münsterlandes: der Mais. Biologen sprechen deshalb bereits von „Vermaisung der Landwirtschaft“ – ein Begriff, der erstmals 2007 in der Zeitung „Die Welt“ geprägt wurde. Grund für die weltweite, aber auch in Westfalen anzutreffende immense Steigerung des Maisanbaus ist vor allem seine vielfältige Einsetzbarkeit als Nahrungsmittel, Tierfutter oder Energierohstoff (Biogas). Hinzu kommen die hohe Düngerverträglichkeit und die Möglichkeit der Monokultur – das heißt, man kann Mais immer wieder ohne Fruchtwechsel auf denselben Flächen anbauen. Mais ist somit nicht nur wegen seiner Wuchshöhe, der Größe seiner Fruchtstände (Kolben) und Körner ein erstaunliches Getreide. Die enorme Zuwachsrate hat aber auch eine mediale und wissenschaftliche Debatte ausgelöst, ob der verstärkte Maisanbau positiv oder negativ zu bewerten sei. Die aktuell spürbaren klimatischen Veränderungen mit langen sommerlichen Trockenperioden, die vor allem auf leichten Böden dem Mais stark zusetzen, lassen die Landwirte allerdings bereits nach Ersatzkulturen Ausschau halten.

Doch wie kam der Mais überhaupt nach Westfalen? Denn die Pflanze ist hier nicht heimisch, sondern stammt ursprünglich aus Übersee und ist somit ein – wenn auch bereits betagter – „Neophyt“. Bereits auf seiner ersten Fahrt nach Amerika 1492 entdeckte Christoph Kolumbus (+ 1506) auch Felder mit Mais. 1525 wurde die Pflanze schon in Andalusien (Südspanien) feldmäßig angebaut und 1543 hatte sie Süddeutschland erreicht, wie ein damals gedrucktes Kräuterbuch zeigt. Im 16. und 17. Jahrhundert fristete der Mais allerdings noch als Gartenpflanze sein Dasein – nicht als Feldfrucht. Er gedieh aber nur in klimatisch günstigen Regionen: den Rheingegenden, in Württemberg und Baden. Erst als es 1805/06 zu Kartoffelmissernten kam, versuchte man, auch außerhalb der Weinbaugebiete Mais anzubauen. 1828 wird über Anbauversuche des „türkischen Weitzen“ bei Hamm berichtet, der guten Ertrag brachte, dessen Bearbeitung aber als schwierig beurteilt wurde. Erst die durch die Kartoffelfäule bedingten Hungerjahre 1846/47 führten aber dazu, Maissorten zu züchten, die auch im mittel- und norddeutschen Klima gediehen. Obwohl sich Mais in vielfältiger Art für die Zubereitung von Brot, Suppen, Kuchen, Pudding, Brei und Kaffee-Ersatz eignete, worüber man Rezeptbücher in der Bevölkerung verbreitete, wurde er trotzdem vorwiegend als Futtermittel verwendet.

Ins Tecklenburger Land kam der Mais – soweit bisher bekannt – dennoch erst im Jahr 1860. Sein Anbau wurde damals freilich noch als Kuriosität wahrgenommen und ein wenig belächelt. Der Freiherr Ludwig (Louis) von Diepenbroick-Grüter (1804–1870), der seit 1831 Landrat des Kreises Tecklenburg und zudem Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisvereins war, pflanzte seinerzeit in seinem nach Süden gelegenen Garten auf seinem Wohnsitz Haus Marck (bei Tecklenburg) Mais aus dem süddeutschen Baden an, der im „heißen Sommer von 1860 zur Reife gelangte.“ Begeistert von seinem landwirtschaftlichen Erfolg berichtete er umgehend dem preußischen Landesökonomiekollegium in Berlin über seine Maisernte und übersandte auch Proben. In seinem Anschreiben sprach der Landrat die Hoffnung aus, dass sich der Maisanbau nun in Westfalen einbürgern werde. Allerdings teilten die Berliner Landesökonomen diese Euphorie nicht. Gerade hatte man dort aus Amerika eine Maisentkörnungsmaschine erhalten, mit der man aber nicht recht etwas anzufangen wusste. Kurzerhand schickte man dem Tecklenburger Landrat als Dank und Belohnung für seinen ausführlichen Bericht das neue Gerät, das zehn Zentner Mais in einer Stunde entkörnen konnte. Doch auch in Tecklenburg wurde die Maschine erst einmal eingelagert, denn die gesamte Maisernte des Freiherrn konnten dessen beiden Mägde nach dem Abendessen in kurzer Zeit mit den Händen entkörnen.

Landrat von Diepenbroick-Grüter war also im Jahr 1860, was den Tecklenburger Maisanbau anging, seiner Zeit noch ein wenig voraus. Allerdings sollte er schließlich doch Recht behalten. Zudem bleibt ihm das Verdienst, der erste gewesen zu sein, der in im Tecklenburger Land Mais anbaute.