Urlaub von den Bomben

31.05.2019

Brief einer Frau aus Münster an ihre Verwandten aus dem Jahr 1944, Emslandmuseum Lingen.

Münster 1944

Andreas Eiynck

Unter dem Titel „Urlaubsfotos aus dem Jahr 1944“ berichtete Kathrin Schulte über die Freude der Familie Brockpähler, im Sommer 1944 zwei Wochen im Riesengebirge verbringen zu können. Dabei vermutet die Autorin bereits einen Zusammenhang mit den Luftangriffen auf Münster. Dies dürfte wohl zutreffen, denn gerade das Riesengebirge galt im Zweiten Weltkrieg aufgrund seiner Lage als „Luftschutzkeller des Reiches“.

Welche Gefahren seinerzeit durch den Luftkrieg in Westfalen und insbesondere in Münster drohten, darüber berichtet ein Brief vom 13. März 1944 im Archiv des Emslandmuseums Lingen, den eine junge Frau aus Münster damals an ihre Verwandten in Lingen schrieb. Darin heißt es:

Brief einer Frau aus Münster an ihre Verwandten aus dem Jahr 1944, Emslandmuseum Lingen.

„… Ich freue mich, daß Euch der Böse Angriff auf Lingen nichts angetan hat. Man erzählte hier auch von Lingen, daß es tüchtig gehagelt habe und etwa 300 Bomben gefallen sein sollen. Da dachte ich gleich an Euch und wollte auch sofort geschrieben haben. Dann kam ich durch etwas anderes, wahrscheinlich durch die dauernden Angriffe auf Berlin, wieder davon ab… Wie doch schon das Gedächtnis unter dem dauernden Bombenhagel leidet!

Mir geht es noch gut, und es ist noch alles in Ordnung hier bei mir und auch in der Anstalt, wo ich ja wohne. Am Samstagmorgen hatten wir schon ½ 10 Uhr Alarm. Wer denkt denn daran, daß die Feinde in so früher Morgenstunde uns meinen. Ich dachte, es sei wieder ein Anschlag auf die Stadt Berlin geplant. Dann hat es aber doch tüchtig von Bomben geregnet im Osten der Stadt. Zwei Teppichwürfe vor Münster bis Handorf und dann noch einer nach Gremmendorf zu. Auch in Greven und Altenberge sollen die Bomben gefallen sein. Wahrscheinlich hat man Münster wieder mit Bomben segnen wollen. Man nimmt an, daß die Leuchtkugeln durch den Wind abgetrieben wurden zum Osten hin. Besonders am Kanal, wo der Weg nach Handorf führt, sind die Bomben gefallen.

Kennst Du Blitzdorf? Das sind die neuen Häuser am Kanal. Dorthin kommt man, wenn man von der Endstation der Warendorferstrasse weitergeht nach Handorf hin. Ein Bunker hat auch zwei Bomben aufs Dach bekommen, der Bunker hat aber gehalten. Es sind aber trotzdem vor dem Bunker einige Personen zu Tode gekommen, die nicht so schnell in den Bunker hereinkommen konnten. Es ist ja so, daß sich dann alles vor dem Eingang des Bunkers staut. Um den Bunker am Kanal sollen etwa 15 Bomben gefallen sein. Es sind nur Sprengbomben gefallen, aber sehr viele. Wenn das alles auf die Stadt gekommen wäre, dann hätten wir einen gleich schweren Angriff zu verzeichnen wie den am 10.10. So sind tatsächlich viele Bomben auf Wiesen und Felder gefallen. Allerdings sind auch viele Häuser in Blitzdorf, Mauritz, Tannenhof usw. zerstört. Genaue Einzelheiten weiß ich auch noch nicht. Auf jeden Fall hat es mich nicht getroffen…

Man muß schon dankbar sein, wenn man lebt und ein Dach über dem Kopf hat. In Berlin hat es, wie ich heute von meiner Schwester höre, bei meinen Verwandten bei den letzten Angriffen gut gegangen. Dies Dir heute in Eile, liebe Tony! Herzlich grüße ich Dich und all Deine Lieben daheim!

Deine Lieschen“

Dieser Brief schildert eindrucksvoll die ständige Gefahr durch Luftangriffe für die Zivilbevölkerung in den westdeutschen Städten in den letzten Kriegsjahren. Jeder war damals froh, wenn er dieser Gefahr für eine Zeitlang entfliehen konnte. Auch in Münster.