Im hinteren Teil des Kalenders finden sich schließlich Rezepte für Suppen, Vorspeisen, Hauptspeisen und Salate. Natürlich enthält jedes der Rezepte, sei es ein einfacher Salat oder die Lungensuppe, Liebig’s Fleischextrakt. Hinzu kommen Wochenpläne zur Planung der Mahlzeiten. Ein äußerst praktischer Kalender für die moderne Hausfrau also.
Doch was hat es mit dem Fleischextrakt auf sich?
Liebig’s Fleischextrakt geht auf den Chemiker Justus Liebig (1803 – 1873) zurück, der 1847 durch das Eindampfen von Rindfleisch Fleischextrakt herstellte und diesen ab 1864 in Uruguay industriell herstellen ließ. Der Fleischextrakt, der nach wie vor im Handel erhältlich ist, wurde trotz seines vergleichsweise hohen Preises zum Verkaufsschlager, weil er für eine für eine weniger zeit- und personalaufwändige, praktische und dementsprechend moderne Hauswirtschaft stand
Zur Popularität des Fleischextrakts trug nicht zuletzt auch die kluge Werbestrategie der Firma Liebig bei: In Anlehnung an die damals beliebten illustrierten Verpackungen von Nähgarn, Schokolade und weiteren Produkten wurden Sammelbilder hergestellt und dem Produkt beigelegt. Dabei handelt es sich um bunte Chromolithographien, auf deren Rückseite Werbe- und Informationstexte abgedruckt waren. Erstmals erschienen die Liebigbilder 1872 in Frankreich, wenige Jahre später wurden sie auch in anderen Ländern ausgegeben und entwickelten sich schnell zu beliebten Sammelobjekten. Sie erschienen in Serien von drei bis zu 24 Bildern und waren bei Sammlern sehr begehrt, so dass einzelne Serien sogar Liebhaberpreise von bis zu 300 Goldmark erzielten. Zu den Bildern wurden im Handel auch Sammelalben angeboten. . Bei einer solchen Sammelleidenschaft ist es nicht verwunderlich, dass auch Fälschungen grassierten und weitere Firmen auf den Zug aufsprangen.
Die Liebigbilder waren von Künstler*innen gestaltet worden, von denen nur wenige namentlich bekannt sind. Bereits um 1900 erreichten sie eine Auflage von drei Millionen Stück. Zunächst zeigten sie eher kindliche, humoristische Darstellungen, ab der Jahrhundertwende erhielten sie jedoch auch eine edukative Funktion, indem auf der Rückseite der Bilder erklärende Texte zu den Abbildungen abgedruckt wurden. Die Themen der Bilderserien reichten von der heimischen Tierwelt bis hin zu den Göttern der Antike und umfassten historische, literarische und naturkundliche Wissensgebiete.
Die Ausgabe der Bilder wurde in Deutschland 1940 eingestellt, in Italien erst 1975. Zwar dezimierte der Zweite Weltkrieg die Zahl der Liebigbilder und Alben, dennoch sind sie auch derzeit noch erhältlich – auf Online-Verkaufsportalen werden teilweise fast vierstellige Beträge bei vollständigen Alben verlangt.