Des Menschen liebster Freund: Heinrich von Münchs „Hunderegister“ von 1666

30.06.2020

Gemälde "Ein die Beute witternder Jagdhund in einer Landschaft" von Ferdinand Philipp Hamilton, um 1750. (Wikimedia Commons)

Des Menschen liebster Freund: Heinrich von Münchs „Hunderegister“ von 1666

Sebastian Schröder

 

Heutzutage nehmen Haustiere einen wichtigen Stellenwert im alltäglichen Leben vieler Menschen ein. Besonders Hunde erfreuen sich großer Beliebtheit.

Historisch betrachtet hat sich das Beziehungsverhältnis zwischen Mensch und Hund allerdings deutlich gewandelt. So besaßen Hunde vormals als Wach- oder Arbeitstiere eine weitaus größere Relevanz, als es derzeit der Fall ist. Vor allem bei der Jagd waren Hunde unverzichtbare Begleiter. In der Epoche der Frühen Neuzeit, womit die Zeit zwischen 1500 und 1800 gemeint ist, war die Jägerei ein adliges Privileg. Nicht jedermann durfte Wildtiere fangen oder schießen. Ganz im Gegenteil kontrollierten die Adligen sehr streng, ob Bauern oder Bürger ihre Vorrechte verletzten. Wegen der Exklusivität eignete sich das Waidwerk auch zur standesgemäßen Repräsentation. Der öffentliche Aufruf zur Jagd implizierte die möglichst effektive Inszenierung adliger Ansprüche. Das Halten edler Jagdhunde sollte diese Wirkung nochmals verstärken. Die Adligen waren stolz auf ihre Tiere – es handelte sich nicht um dahergelaufene Streuner oder „Promenadenmischungen“, wie sie auf den bäuerlichen Gehöften zu finden waren. Vielmehr wurden die Hunde gepflegt, entsprechend abgerichtet und erfuhren eine herausgehobene Beachtung.

Im Archiv des Rittergutes Benkhausen hat ein in dieser Hinsicht äußerst aufschlussreiches Dokument die Zeiten überdauert. Dieser Adelssitz ist heute Teil der Stadt Espelkamp im Kreis Minden-Lübbecke im Norden des Landes Nordrhein-Westfalen. Vormals zählte das Gebiet zum brandenburg-preußischen Fürstentum Minden. Das Schriftzeugnis trägt folgenden Titel: „Hunderegister, den 1. Decemb[er] a[nn]o 1666“. Nach dieser Liste besaß der Eigentümer des Gutes Benkhausen, Heinrich von Münch, nicht weniger als 27 Jagdhunde! Von Münch war als brandenburgischer Landdrost im Fürstentum Minden eine einflussreiche Persönlichkeit. Sein Amtssitz befand sich auf der ehemaligen bischöflichen Feste Schlüsselburg an der Weser. Deshalb lebten seine tierischen Gefährten nicht nur auf dem heimischen Gut Benkhausen, sondern auch in Schlüsselburg. Etwa sollte ein junger, schwarz-weißer Windhund in Schlüsselburg abgerichtet („uffgezogen“) werden. Dieses Tier hieß „Levander“ (französischer Jungenname). „Schampanie“, ebenfalls ein schwarz-weißer Windhund, gab von Münch dagegen in die Obhut des Windmüllers zu Buchholz, ein Ort in unmittelbarer Nähe des Amtssitzes. Der Rüde könnte aus der Champagne gestammt haben und demzufolge nach seiner Herkunft benannt worden sein. Den weißen „Spanioll“ betreute der Wassermüller Johann Plagge zu Döhren. Höchstwahrscheinlich handelte es sich um einen Spaniel. Die junge graue Windhündin „Filette“ (zu französisch ‚kleines Mädchen‘), deren Fell mit weißen Kringeln gezeichnet war, sollte bei Ernst Wichmann in Heimsen auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet werden. Alle übrigen 23 Jagdhunde schienen zu diesem Zeitpunkt bereits eine hinreichende Ausbildung genossen zu haben. Denn über ihren genauen Aufenthaltsort schweigt Heinrich von Münch. Darüber, welchen Rassen die Hunde entstammten, schweigt sich ihr Besitzer weitgehend aus. Aus dem Hunderegister geht lediglich hervor, dass es sich um  Windhunde („Windtspiell“) oder Jagdhunde („Jachthund“ beziehungsweise „Jagt-Tiffe“, womit die Hündinnen bezeichnet wurden) handelte. „Forella“ sei dagegen ein schwarzer „Schieshundt“. Einerseits ließen sich die Tiere anhand ihres Felles unterscheiden. Der Betrachter konnte schwarze, braune, dunkle, rotweiße oder graue Tiere bestaunen. Andererseits hörte jeder Hund auf seinen eigenen Namen: „Dorecht“ (zum Niederdeutschen ‚Tue Recht‘, er wird also folgsam gewesen sein), „Coridon“ (Corydon ist der Name eines Hirten beim Dichter Virgil, der Rüde agierte vermutlich als Hütehund), „Acteau“, „Diano“ (männliche Form zu Diana, der Göttin der Jagd) , „Törce“ (zu Französisch toquere ‚drehen‘), „Fitesse“ (gemeint ist wohl französisch Vitesse, zu Deutsch ‚Schnelligkeit‘), „Gronewalt“ (wobei von Münch zwischen dem braunen und dem schwarzen Gronewalt differenzierte), „Flemme“ (zu Französisch ‚faul‘), „Weydümme“, „Folge“, „Lustig“, „Allemahl“, „Brunnelle“ (in Anlehnung an eine Pflanze: Brunelle oder Braunelle), „Weydemann“, „Jäger“, „Cortosiae“ (möglicherweise von italienisch cortosia, zu Deutsch ‚Freundlichkeit‘), „Fremde“, „Herümme“, „Forella“, „Tappe“ (der ‚Fährtenleser‘, zu niederdeutsch Tappe ‚Fußspur‘), „Galletta“ (italienisch, zu Deutsch ‚Zwieback‘) und „Trillen“.

Gemälde "Landschaft mit Jäger" von Jan van Wildens, 1624. (Wikimedia Commons)

Zum Zwecke der Jagd konnten einige der Tiere paarweise zusammengestellt werden, zu sogenannten Koppeln. Insgesamt verfügte von Münch über sechs solcher Paare. Als erfolgreiche Duos hatten sich der braune Gronewalt und Lustig, der schwarze Gronewalt und Allemahl, Brunnelle und Flemme, Weydemann und Herümme, Cortosiae und Fremde sowie als Dreiergespann Jäger, Weydümme und Folge erwiesen.

Betrachtet man die Namengebung, scheint sich diese zum einen am Naturell der Tiere orientiert zu haben. „Fitesse“ zeichnete wohl die Schnellheit aus, „Forella“ könnte ebenfalls flink wie der gleichnamige Fisch gewesen sein, „Herümme“ tollte möglicherweise stets umher oder drehte sich immer im Kreis herum (zu Niederdeutsch ‚herum‘). Und „Lustig“ bot möglicherweise einen amüsanten Anblick. „Folge“ könnte treuherzig gewesen sein, im Gegensatz zu „Weydümme“, der vielleicht immer etwas weiter weglief. Bei „Jäger“ war der Name Programm, genau wie bei „Weydemann“ (‚Jäger‘). „Flemme“ scheint dagegen faul gewesen zu sein. Zudem lässt sich zum anderen etwas über die Herkunft der Hunde aussagen: „Fremde“ war wahrscheinlich ursprünglich nicht im Minden-Lübbecker Land heimisch gewesen, „Gronewalt“ könnte aus der Ortschaft Gronewald bei Bergisch Gladbach stammen. Die Namengebung belegt des Weiteren die Bildung Heinrich von Münchs. So sprach er anscheinend Niederdeutsch, Hochdeutsch, Französisch sowie Italienisch und kannte sich in der antiken Mythologie aus.

Das Benkhauser „Hunderegister“ aus dem Jahr 1666 stellt sich damit als ein aufschlussreiches und alles andere als gewöhnliches Zeugnis dar, um die Beziehung zwischen Mensch und Tier zu studieren. Dabei zeigt sich, dass Heinrich von Münch seine 27 Windhunde sehr schätzte. Im Rahmen der adligen Jagd waren sie unverzichtbar – und folgerichtig wertvoll und geachtet.

 

 

Quelle: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen, Haus Benkhausen (Dep.), Akten, Nr. 6918: Verzeichnis der zu Schlüsselburg und zu Benkhausen befindlichen 27 Jagdhunde (mit Namen der Hunde), 1666.