Boten, Helfer und Gefährten

03.07.2020

Die Ausstellung „Boten, Helfer und Gefährten“ ist noch bis zum 25. Oktober 2020 im LWL-Industriemuseum, Zeche Hannover, zu sehen. (Foto: KAF)

Boten, Helfer und Gefährten

Ausstellung auf Zeche Hannover zeigt Mensch-Tier-Beziehungen im Spiegel der materiellen Kultur

Brieftaufen wurden im Krieg auch zu Spionagezwecken eingesetzt. Daran erinnert der Taubenfallschirm aus dem Archiv für Alltagskultur. (Foto: KAF)

Christiane Cantauw

Human-Animal Studies heißt ein interdisziplinäres Fachgebiet, in dem aus der Warte unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen der gemeinsamen Geschichte von Tieren und Menschen nachgegangen wird. Tiere sind aus dieser Perspektive keine Randerscheinung mehr, sondern gleichberechtigte Lebewesen auf diesem Planeten, die ebenso wie Menschen eine Geschichte und Rechte haben.

Der Perspektive der Human-Animal Studies ist auch der aus einem Forschungsprojekt hervorgegangene Arbeitskreis Mensch und Tier im Ruhrgebiet verpflichtet. In den am Arbeitskreis beteiligten Museen (Ruhrmuseum Essen, Dt. Bergbau-Museum Bochum, Museum Folkwang, Naturkundemuseum Dortmund, LVR- und LWL-Industriemuseen) wurden und werden Ausstellungen gezeigt, die dieses Beziehungsgeflecht aus unterschiedlicher Warte in den Blick nehmen.

Am Standort Zeche Hannover des LWL-Industriemuseums geschieht dies am Beispiel einer Auswahl von Tieren. Vor der Folie der Industrialisierung wird der gemeinsamen Geschichte von Tauben, Schweinen, Pferden, Bienen und Menschen nachgegangen. Das ist sehr unterhaltsam, weil es neben dem Erwartbaren wie der Brieftaubenzucht und den Grubenpferden, viel Unerwartetes zu sehen gibt. Zwischen dem Heiligen Geist (Taube), Pottpauli (Ruhrgebiet-Maskottchen) und dem Pferdemetzger spannt sich ein ganzer Kosmos an Bedeutungen und Bedeutungszuschreibungen auf, der anhand zahlreicher Objekte greifbar gemacht wird.

Schlachtung und Preisverleihung liegen nicht nur in der Ausstellung nahe beieinander. (Foto: KAF)
Die Post-its zum Thema Bienen gehören zu dem Kunstprojekt Alles was ist weiß von Florian Toperngpong, 2019. (Foto: KAF)

Schön ist, dass es der Ausstellung nicht in erster Linie darum geht, Wahrheiten zu verkünden, sondern eher darum, Fragen zu stellen: Etwa diejenige danach, welche Tiere aus welchen Gründen niedlich oder unterhaltsam sind und welche getötet, vertrieben oder aufgegessen werden (dürfen/ sollen) oder welche Tiere in Zusammenhang mit Religion, Heimat, Liebe oder Sport in symbolisch aufgeladener Form Bedeutung erlangen und was das für diese Tiere bedeutet. Schnell wird klar, dass vieles an der Beziehung von Tieren und Menschen eine Frage der Perspektive ist und dass es durchaus lohnenswert ist, sich einmal auf andere Sichtweisen einzulassen. Was bedeuten beispielsweise die Zuschreibungen „wild“ oder „zahm“ und was ist „natürlich“ und „artgerecht“? Wem gehört die Natur, wem der Stadtraum?

Die Ausstellung schließt mit partizipativen Angeboten, die den BesucherInnen die Möglichkeit geben, ihre Eindrücke zu kommunizieren. Ein von Lisa Egeri und Dietmar Osses herausgegebener Begleitband mit zehn informativen Beiträgen und vielen Abbildungen ist im Essener Klartextverlag erschienen und bildet eine prima Ergänzung zu dem Gezeigten.   

Bis zum 25. Oktober 2020 ist die sehenswerte Schau in Zeche Hannover noch zu sehen. Weitere Informationen unter www.lwl.org/industriemuseum/standorte/zeche-hannover.