Am Anfang war Meßlingen?

28.05.2019

Einband des Buches "Am Anfang war Meßlingen? Mühlenerhalt und Mühlenverein im Kreis Minden-Lübbecke" von Sebastian Schröder.

Am Anfang war Meßlingen?

Neue Publikation zum Mühlenerhalt im Kreis Minden-Lübbecke von Sebastian Schröder

Christof Spannhoff

 

Der fragende Titel des Buches lässt nicht unbedingt erahnen, was in ihm steckt: Denn wer kennt schon Meßlingen oder weiß, was es damit hinsichtlich der Restaurierung und Unterschutzstellung von Mühlen auf sich hat? Das jüngst erschienene, 267 Seiten starke und mit zahlreichen Abbildungen versehene Werk stellt die Festschrift zum 40-jährigen Bestehen des Mühlenvereins im Kreis Minden-Lübbecke dar. Doch ist die Veröffentlichung wesentlich mehr als eine übliche „Festgabe“ mit heiteren Anekdoten und geselligen Fotos aus dem vergangenen und gegenwärtigen Vereinsleben. Der aus Preußisch Oldendorf stammende münsterische Landeshistoriker Sebastian Schröder stellt in dieser Studie nicht nur die Geschichte eines Mühlenvereins vor, sondern zieht vielmehr eine historische Bilanz der Bemühungen um den Mühlenerhalt im Kreis Minden-Lübbecke – dem sogenannten „Mühlenkreis“. Während die Vereinigung in der Eigenwahrnehmung ihren Ursprung auf den angeblich „in letzter Sekunde“ verhinderten Abbruch einer Windmühle im Jahr 1975 in Meßlingen (ein Ortsteil von Petershagen) zurückführt – daher erklärt sich die Frage im Titel –, kann der Autor bereits ein verstärktes Interesse am Mühlenschutz in der Region seit den 1920er Jahren feststellen. Nach einer Einführung in das ältere Mühlenwesen seit dem Mittelalter richtet sich Schröders Blick auf die Instrumentalisierung von Mühlen während des Nationalsozialismus, den Bemühungen um den Mühlenerhalt in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, die sich gegen ein „Verlieren für immer“ wandten, und schließlich den Voraussetzungen der Gründung des Kreismühlenvereins. Im Mittelpunkt seiner Untersuchung steht jeweils die Frage nach den Entstehungsfaktoren und den Akteuren. Welche Personen und Institutionen waren an den Aushandlungsprozessen um den Erhalt von Mühlengebäuden, ihrem Interieur und ihrer technischen Ausstattung beteiligt? Anhand von über 20 Beispielen zeichnet Schröder geglückte, aber auch misslungene Erhaltungsversuche nach und präpariert die jeweiligen Einflüsse und Umstände heraus. Der Band bietet also auch einen guten Einblick, wie in den letzten Jahrzehnten mit unserem baugeschichtlichen Erbe umgegangen wurde. Die breite Materialbasis des Buches besteht dabei vor allem in bisher kaum benutzten Aktenstücken, schriftlichen Aufzeichnungen und alten Berichten der Lokalpresse, die sich in den Stadt- und Gemeindearchiven, bei der LWL-Denkmalpflege, aber zum Teil auch in nicht frei zugänglichem Privatbesitz befinden. Umfangreiches Bildmaterial zur Dokumentation fehlt natürlich ebenfalls nicht. Ferner dienten sieben Zeitzeugengespräche zur Abrundung, die 2017/2018 aufgezeichnet wurden. Die entsprechenden Nachweise sind in fast 1300 Endnoten dokumentiert.

Das Ergebnis der Bemühungen um den Mühlenerhalt in Minden-Lübbecke im 20. Jahrhundert sind die heute noch erhaltenen 42 Wind-, Wasser- und Rossmühlen, eine von nur zwei mahlfähigen Schiffmühlen in Deutschland und die 320 Kilometer lange Mühlenstraße als touristische Erschließungsroute. Letztere geht auf den „Vater“ der Westfälischen Mühlenstraße, Wilhelm Brepohl (1913–2002), zurück. Der Lehrer und Heimatpfleger, der außerdem Mitglied der Volkskundlichen Kommission war, zählte zu den Gründungsinitiatoren der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung, die 1987 ins Leben gerufen wurde. Für sein vielfältiges Engagement erhielt er bereits 1979 den Deutschen Preis für Denkmalschutz. Die erhaltenen Mühlen entlang der Mühlenstraße stellen heute ein wesentliches Stück Identität für den Kreis und seine Bewohner dar, wie Sebastian Schröder resümiert.

 

Bibliographische Angaben:

Sebastian Schröder, Am Anfang war Meßlingen? Mühlenerhalt und Mühlenverein im Kreis Minden-Lübbecke. Zum 40-jährigen Bestehen des Vereins (1978–2018), Espelkamp 2018 (ISBN: 978-3-00-060927-5).