Auf dem Weg zur Lengericher Badeanstalt

03.06.2025 Niklas Regenbrecht

Bernd Hammerschmidt

Vor etwa 100 Jahren wurden in Lengerich die Rufe nach einer öffentlichen Badeanstalt lauter, die einer Stadt von 12.000 Einwohner*innen angemessen sein sollte. Erste Planungen führten allerdings zu keinem Ergebnis.

1926 flammte die öffentliche Debatte um eine Badeanstalt wieder auf. Ein junger Leserbriefschreiber appellierte in der Lengericher Zeitung vom 17. Juli 1926 an die Amtsväter: „Schafft eine Badeanstalt! Bringt ihr das fertig, so fördert ihr die Gesundheit eurer Kinder und helft damit am Wiederaufbau des deutschen Vaterlandes.“ Damit waren zwei Aspekte benannt, die in der folgenden Debatte um eine Badeanstalt wiederholt auftauchen sollten. Ein Gegenargument formulierte Lehrer Wilhelm Schürmann von der Deutschen Demokratischen Partei, indem er auf die schwierige finanzielle Lage der Stadt hinwies und die Bevölkerung zur Geduld aufrief.

Eine Lösung zeichnete sich erst ab, als der Arzt Dr. Schultebeyring ein Grundstück an der Ringeler Straße, auf dem sich seine Fischteiche befanden, zum Kauf und zur Umgestaltung als Badeanstalt anbot. Nach längeren Verhandlungen konnten sich beide Seiten auf einen für die Stadt Lengerich akzeptablen Preis für den Erwerb der beiden westlichen Fischteiche einigen und am 9. Mai 1928 beschloss die Stadtverordnetenversammlung „mit 13 Stimmen gegen 7 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen“ die „Errichtung einer Badeanstalt.“ Geplant wurde ein Freibad mit Schwimm- und Planschbecken, Brausen und „Auskleideräumen“; auf die angedachten Wannenbäder musste man aus finanziellen Gründen verzichten. Die Lengericher Zeitung beschrieb diesen Beschluss als „zum Besten der Volksgesundheit“. Diesen Aspekt betonte auch der Abgeordnete Schmidt (SPD), der darauf hinwies, dass die Mehrheit der Bevölkerung kein eigenes Badezimmer zu Hause habe. Für die Stadt Lengerich bedeutete diese Entscheidung die Aufnahme eines Darlehens in Höhe von 45.000 RM.

Arbeiter beim Betonieren der Tauchgrubensohle © Stadtarchiv Lengerich

Die erforderlichen Erd- und Betonarbeiten wurden ausgeschrieben und schließlich am 20. November 1928 der Lengericher Firma B. Backhaus übertragen. Nach einem Ortstermin mit Bürgermeister Breidenstein berichtete die Lengericher Zeitung über den Baufortschritt und hob besonders das große „Luft- und Lichtbad“ hervor, eine Fläche von 2.300 qm, auf der die Menschen „in Gottes freier Natur ihren Körper in Luft und Sonne baden“ könnten; insgesamt sei die Badeanstalt ein „Gesundborn für unsere gesamte Bevölkerung“.

Schon vor der offiziellen Eröffnung am 9. Juni 1929 tummelten sich angesichts des sommerlichen Wetters zahlreiche Menschen im neuen Freibad; die Lengericher Zeitung, die darüber berichtete, wies dabei darauf hin, „daß auch für das männliche Geschlecht Badeanzüge vorgeschrieben sind.“ Ein Teil der Lengericher Bevölkerung besaß offenbar keine passende Badekleidung; daher kaufte die Stadt bei verschiedenen Firmen, darunter auch bei dem jüdischen Bekleidungsgeschäft Gebr. Kaufmann, Badeanzüge in verschiedenen Größen und stellte sie den Badegästen gegen eine Gebühr zur Verfügung.

Plan des Lengericher Freibads 1929 © Stadtarchiv Lengerich

Die Einweihung der „schönsten volkshygienischen Einrichtung unserer Stadt“, so die Presse, umfasste neben schwimmsportlichen Vorführungen eine Rede des Amtsbürgermeisters Breidenstein. Vor einer großen Menschenmenge dankte er den Beteiligten sowie den Firmen, die durch Sachspenden zur Fertigstellung des Projekts beigetragen hatten. Anschließend erklärte er, dass neben der geistigen auch die körperliche Bildung ihren Platz finden müsse, um für das Leben gerüstet zu sein. Früher habe die Wehrpflicht dafür gesorgt, dass die Jugend für den Kriegsdienst und den wirtschaftlichen Kampf gerüstet war, aber die sei vom Feind [sic!] (nach dem ersten Weltkrieg) verboten worden. In diesem Punkt sprach er breiten, nationalkonservativen Bevölkerungsschichten aus der Seele, wie auch ein Artikel im Kreis Tecklenburger General-Anzeiger vom 5. Mai 1928 verdeutlicht.

Breidenstein erklärte weiter: „Wenn wir kulturell und wirtschaftlich gegenüber anderen Staaten nicht unterliegen, wenn wir den Daseinskampf bestehen wollen, und das ist vaterländische Pflicht, dann müssen wir Ersatz schaffen durch eine körperliche Höherentwicklung des ganzen deutschen Volkes.“ Dafür sei, so Prof. Bürger aus Düsseldorf, die Reinlichkeit als Basis der Volkshygiene ein Grundpfeiler. Außerdem fördere das Schwimmen Mut und Disziplin. Seine Rede beendete der Bürgermeister mit den Worten: „Unsere Badeanstalt mit ihren farbenfrohen kleinen Bauten und ihrer schönen Umgebung lassen Sie mich weihen als eine Stätte des Frohsinns, der Kameradschaft und der körperlichen Höherentwicklung, zum Segen unserer Stadt, zum Segen unseres Vaterlandes, dem wir in Liebe und Treue zugetan sind.“

 

Quellen:

Stadtarchiv Lengerich B1278

Lengericher Zeitung