Michael Rosenkötter
1825 hatte Friedrich Harkort (1793 – 1880) die Eisenbahnanbindung der östlich des Rheins gelegenen industriellen Zentren an der Wupper und der Ruhr an die Nordseehäfen in Bremen und Hamburg vorgeschlagen. Es vergingen fast zwei Jahrzehnte, bis über die Streckenführung, die Finanzierung und den Bau der Eisenbahnlinie entschieden war. Am 18. Dezember 1843 erhielt die Cöln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft die behördliche Konzession für den Bau der Strecke von Deutz über Düsseldorf, Dortmund, Hamm, Bielefeld und Herford nach Minden. Keine vier Jahre später wurde am 15. Oktober 1847, dem Geburtstag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795 – 1861), in Minden das letzte Teilstück der Eisenbahnstrecke in Betrieb genommen.
Die 263 Kilometer lange Eisenbahnstrecke war von Anfang an zweigleisig geplant, wurde aber – mit Ausnahme von Fluss- und Talquerungen und den Haltestationen – in vielen Teilstücken zunächst nur eingleisig ausgebaut. Tausende Arbeiter wurden eingestellt, um die Fertigstellung der Verkehrstrasse schnellstmöglich voranzutreiben. Es waren billige Arbeitskräfte: zu viele Menschen waren durch den Wandel von der Handarbeit zur industriellen Produktion arbeitslos geworden. Zudem gab es mehrere Jahre hintereinander Missernten. Die Not und die Konkurrenz der Arbeitswilligen waren groß, die Löhne äußerst niedrig.
Wer Arbeit beim Bau der Eisenbahn aufnehmen wollte, brauchte eine Legitimationskarte, die von den örtlichen Ämtern auszustellen war. Darin wurden die familiären und Wohnverhältnisse – Wohnort, verheiratet, Anzahl der Kinder – erfasst. Die Karte enthielt darüber hinaus eine genaue Personenbeschreibung: Alter, Geburtsjahr und Körpergröße in Fuß und Zoll. Weitere körperliche Merkmale wie Haarfarbe, Beschreibung des Gesichts (Stirn, Augenbrauen, Augen, Nase, Mund, Bart, Kinn, Gesichtsfarbe) und der Physiognomie (Statur und besondere Kennzeichen) wurden dokumentiert und gegebenenfalls wurde dem Antragsteller bescheinigt, dass „in polizeilicher Beziehung nichts zu erinnern“ sei. Der Arbeitswillige musste die Legitimationskarte eigenhändig unterschreiben und am Arbeitsort der örtlichen Polizeistelle übergeben, die daraufhin einen Arbeitsschein ausstellte, den der Arbeiter stets bei sich zu tragen hatte.