August Holländer (1891 – 1938): Ein Museum und eine Sammlung dokumentieren den Alltag in Emsdetten um die Wende zum 20. Jahrhundert

14.11.2025 Niklas Regenbrecht

Wertvolle Bücher und Gemälde im alten Heimatmuseum an der Wilhelmstraße (1936).

Andreas Eiynck

Viele heutige Museen in Westfalen gehen auf private Sammler und deren Sammlungen zurück, darunter auch das „August-Holländer-Museum“ in Emsdetten. Doch August Holländer (1891-1938) war nicht nur Sammler, sondern auch Heimatforscher, Dichter, Publizist und Fotograf. Und das alles neben seinem Hauptberuf als Buchhändler und Drucker. Während seine museale Sammlung bereits 1938 in den Besitz der Stadt Emsdetten überging, dauerte es noch Jahrzehnte, bis seine Fotosammlung und sein schriftlicher Nachlass in das Archiv des von ihm mitbegründeten Heimatbundes Emsdetten gelangten.

August Holländer wurde 1891 als ältestes von zehn Kindern in einer Weberfamilie in Emsdetten geboren. Schon frühzeitig zeichneten sich seine besondere schulische Begabung und sein Interesse an Literatur ab, die von seinem Lehrer und der örtlichen Geistlichkeit gefördert wurden.

Weil sein Vater ihm über die siebenjährige Volksschule hinaus keine Schulbildung finanzieren konnte, absolvierte Holländer zunächst eine Lehre als Weber in der örtlichen Textilfabrik Schilgen. Als eine angeborene Herzschwäche festgestellt wurde, machte er eine kaufmännische Ausbildung bei der Textilfirma Wameling. Schon damals, so schreibt er in seinen Tagebüchern, sammelte er „Schätze“ wie bäuerliche Antiquitäten oder Fossilien und begeisterte sich für die Heimatpflege.

Im Ersten Weltkrieg wurde Holländer 1915 kurzzeitig Soldat, dann aber wegen seines Herzleidens vom Militärdienst freigestellt. Er kam als dienstverpflichtete Ersatzkraft zum Buch- und Kunstverlag Butzon und Becker in Kevelaer, der sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert im Bereich religiöser Schriften einen Namen gemacht hatte. Dort lernte er den Pfarrer und Schriftsteller Augustin Wibbelt kennen und engagierte sich als Schriftführer im Heimatverein Kevelaer, bis er 1918 erneut als Soldat eingezogen wurde.

Mit dem Kriegsende kehrte er nach Emsdetten zurück und wollte auch dort einen Heimatverein gründen. Gemeinsam mit einigen Gleichgesinnten veranstaltete er am 6. Juli 1919 einen „plattdeutschen Unterhaltungsabend“, bei dem auch Friedrich Castelle und Karl Wagenfeld auftraten. Eine Woche später wurde der Heimatbund Emsdetten gegründet und bald darauf ging die erste Ausgabe der Heimatblätter des Vereins in Druck. Dieses Vereinsorgan erscheint mit einigen Unterbrechungen bis heute.

Ausflug des Heimatbundes (um 1925).

Während Rektor Peter Funcke den Vereinsvorsitz und damit die Vertretung des Vereins nach außen hinübernahm, kümmerte sich August Holländer um die inhaltliche und organisatorische Arbeit sowie die Schriftleitung der Heimatblätter. Holländer war in dem neuen Verein außerordentlich aktiv. Für die Heimatblätter verfasste er Aufsätze, aber auch Gedichte in hochdeutsch und plattdeutsch. Er schrieb über Emsdettener Persönlichkeiten, aber auch über das lokal bedeutsame Handwerk der Wannenmacher und die Geschichte der Textilindustrie. Im Bereich der damaligen „Brauchtumspflege“ sorgte er für die Wiederbelebung des Lambertussingens in Emsdetten. Er organisierte heimatkundliche und naturkundliche Exkursionen, setzte sich ein gegen die Abholzung von Wallhecken und das Zuschütten alter Emsarme. Als Fotograf dokumentierte er das Leben in seinem Heimatort und die Aktivitäten des Heimatbundes. Darüber hinaus sammelte und reproduzierte er aber auch alte Fotos früherer Fotografen.

Im Gründungsjahr des Heimatbundes (1919) heiratete Holländer die Tochter und Erbin des Emsdettener Buchbinders Hagemann. Dessen Sohn und Firmennachfolger war im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommen und so setzte August Holländer das Geschäft mit Buchbinderei, Buchdruckerei und Buchhandlung fort.

Seine erste Ehe blieb kinderlos, die Frau starb 1928. 1931 heiratete August Holländer Maria Hagel, mit der er vier Kinder bekam. 1938 starb Holländer unerwartet, vermutlich infolge seines Herzleidens. Vier Wochen zuvor hatte er seine heimatkundliche Sammlung der Stadt Emsdetten übergeben.

Der Heimatbund Emsdetten arbeitete eng zusammen mit Friedrich Castelle, der 1933 begeistert in die NSDAP eintrat und zum NS-Kulturwart des Kreises Steinfurt ernannt wurde, sowie mit Karl Wagenfeld, der ebenfalls in der NS-Kulturszene Karriere machte. Holländer selber war kein Nationalsozialist und war auch nicht in die Partei eingetreten.

Das Emsdettener Heimatmuseum wurde von Holländer im Dachgeschoss der Wilhelmstraße mit seinen eigenen Sammlungsstücken eingerichtet und 1936 eröffnet. Es umfasste vor allem volkskundliche sowie naturkundliche Gegenstände und zählte schon im ersten Jahr über tausend Besucher. Den Mittelpunkt der Ausstellung bildete eine alte Herdstelle mit den zugehörigen Herdgeräten und bäuerlichem Hausrat. Unter den ausgestellten Möbeln waren nicht nur Aussteuertruhen, sondern auch ein „Kannenstock“ (Anrichte) und ein wertvoller Schreibsekretär. Die Waffensammlung zeigte Militaria aus verschiedenen Epochen. Eine Wannenmacherwerkstatt und alte Webstühle dokumentierten das heimische Handwerk. Hinzu kamen Fossilien und vorgeschichtliche Fundstücke. Holländer hat sein Museum in einer Fotoserie dokumentiert, die ein anschauliches Bild der Sammlungsstücke und ihrer Präsentation vermittelt.

Im alten Heimatmuseum in der Wilhelmschule (1936).

Bald nach dem Tod Holländers Anfang 1938 wurde das Heimatmuseum ihm zu Ehren in „August-Holländer-Museum“ umbenannt. 1945 mussten die Ausstellungsräume kurzfristig geräumt werden und die Sammlung wurde notdürftig eingelagert. Dabei kam es zu erheblichen Verlusten. Nur die großen Objekte, vor allem die Möbelstücke, blieben erhalten.

Zum vierzigjährigen Bestehen des Heimatbundes 1959 wurde das Museum mit ergänzten Beständen im früheren Bauernhaus Deitmar in Emsdetten neu eröffnet, musste aber schon 1962 erneut magaziniert werden. 1963 erfolgte dann in einer umgebauten Scheune auf dem Hof Deitmar die Wiedereröffnung. Nach der Ergänzung des Museums um ein Wannenmacherhaus 1985 wurde das Konzept des Heimatmuseums in den Folgejahren vollständig überarbeitet. An die Stelle der heimatkundlichen Sammlung trat eine Ausstellung zur örtlichen Textilgeschichte sowie zur Alltagskultur in der Textilstadt Emsdetten.

Die hierfür nicht mehr benötigten Sammlungsstücke aus der Museumssammlung wanderten in das Magazin oder kamen als Dekorationsstücke in das Bauernhaus Deitmar, das mittlerweile als Geschäftsstelle des Heimatbundes mit Archiv und Bildsammlung diente.

Alle übrigen Sammlungen Holländers, seine Manuskripte, Bücher und Fotos, blieben nach seinem Tod 1938 im Wohn- und Geschäftshaus seiner Familie. Den Betrieb übernahm später der Sohn Klemens August. Dieser war selber ein eifriger Sammler und Fotograf. Er verstarb 2004. Jetzt erst ging der Nachlass August Holländers an den Heimatbund über.

Die Sammlungen von Vater und Sohn waren mittlerweile kaum noch zu trennen und mussten von der ehrenamtlichen Archivarin des Heimatbundes, Hilde Jürgens, in langjähriger Arbeit sortiert und verzeichnet werden.

Auch die Fotosammlung war nur mühsam zu gliedern in die Negative, Diapositive und Fotos von August Holländer, in die Fotos und Reproduktionen anderer Fotografen, die August Holländer gesammelt hatte, und die Fotos und Reproduktionen seines Sohnes, zumal viele Fotografien weder datiert noch beschriftet waren. Diese Aufgabe übernahm Dieter Schmitz vom Heimatbund, der die Bestände gleichzeitig digitalisierte.

Holländer fotografierte das dörfliche Leben in Emsdetten in allen Facetten. Er dokumentierte aber auch die heimische Landschaft an der Ems und am Mühlenbach, im Venn und in der Heide. Manche Aufnahmen zeigen heute kritisch betrachtete Bauprojekte und Eingriffe in das Landschaftsbild, etwa kanalartige Flussausbauten zur Gewässerregulierung. Hinzu kommen viele Fotos von alten Bauernhöfen mit Fachwerkhäusern und den typischen Nebengebäuden wie Scheune, Speicher und Backhäuser. Dieser Fotobestand, ergänzt um die von Holländer gesammelten Vereins- und Familienfotos, repräsentiert das dörfliche und ländliche Leben in einem Textilarbeiterort im Münsterland vor hundert Jahren. Eine Welt, die man sich im heutigen Emsdetten kaum noch vorstellen kann.

Der Nachlass von August Holländer teilt das Schicksal vieler heimatkundlicher Sammlungen, die durch Erbschaft, Kriegsereignisse und Museumsschließungen auseinandergerissen wurden. Daher ist es ein besonderer Glückfall, dass die Museumssammlung, der schriftliche Nachlass und die Fotosammlung von August Holländer heute auf dem Hof Deitmar wieder vereint sind und der Forschung zur Verfügung stehen.

 

Historische Fotos: Sammlung August Holländer im Archiv des Heimatbundes Emsdetten

Aktuelle Fotos: Dr. Andreas Eiynck

Kategorie: Aus anderen Sammlungen

Schlagworte: Andreas Eiynck · Museum · Fotografie