Sebastian Schröder
Im Jahr 1788 ließ ein preußischer Assistenzrat aus dem westpreußischen Bromberg seine 588 Seiten starke „Historisch-topographisch-statistische Beschreibung der Grafschaft Tecklenburg“ drucken. Sein Name lautet: August Karl Holsche. Dass sich in Diensten der Krone stehende Beamte mit der Geschichte eines Territoriums auseinandersetzen, wäre an und für sich nicht ungewöhnlich. Aber wieso beschäftigte sich ausgerechnet ein in Westpreußen tätiger Staatsdiener mit der ganz am anderen Ende des preußischen Herrschaftsbereichs gelegenen Grafschaft Tecklenburg?
Ein Blick in die Vita Holsches lüftet dieses Geheimnis. Geboren 1749 in Hannover, studierte Holsche ab 1766 in Göttingen Rechtswissenschaften. Anschließend heuerte er bei der Kriegs- und Domänenkammer in Minden an, der preußischen Lokalverwaltung für die Territorien Minden und Ravensberg sowie Tecklenburg und Lingen. Wenige Jahre später, ab 1773, war der Jurist direkt in Tecklenburg stationiert, wo er als Hoffiskal fungierte und somit quasi das Amt eines Staatsanwaltes versah. Vergeblich bemühte er sich, eine Anstellung in Berlin zu erlangen. Doch erst weitreichende Veränderungen der Gerichts- und Justizlandschaft aufgrund landesherrlicher Reformen führten dazu, dass Holsche seine Stellung in Tecklenburg aufgeben konnte und 1787 in Bromberg zum Assistenzrat befördert wurde. Und so erzählte er selbst in der Vorrede seiner Landesbeschreibung: „Ein funfzehnjähriger Aufenthalt in der Grafschaft Tecklenburg hat mir Gelegenheit gegeben, über die Verfassung dieser Provinz nachzudenken, und zu deren Beschreibung einige Materialien zu sammlen; gute Freunde aber haben mich ersuchet, meine Sammlung in Ordnung zu bringen und öffentlich bekannt zu machen.“ Gleichwohl sah sich der preußische Beamte auch mit Zweifeln konfrontiert: „Der Gegenstand, welchen ich bearbeitet habe, ist gering, und mancher wird denken: der Mann hätte die Mühe sparen können, weil dies Ländchen nur eine Brocke vom Ganzen ist, womit es in Verbindung stehet.“ Dennoch verdeutlichte Holsche gleich zu Beginn seiner Studie, dass die Grafschaft Tecklenburg eine eigenständige Geschichte besitze, die es lohne, näher ergründet zu werden. Schließlich könne die gegenwärtige Lage eines Landstrichs nur mit Blick in die Vergangenheit hinreichend erklärt werden. Zugleich veröffentlichte der Jurist sein Werk für denjenigen Leser, „der Vorliebe fürs Vaterland hat“. Einerseits richtete sich Holsche also direkt an die tecklenburgische Bevölkerung, wobei wohl vornehmlich an diejenigen Personen als Leser gedacht hat, die lesen und schreiben konnten – also eher eine gebildete Schicht, zu der etwa Pfarrer, Staatsdiener oder Kaufleute gezählt haben dürften. Andererseits hoffte Holsche, sein „Traktat“ diene „in der Folge zur Verfassung einer vollständigen Geschichte und Beschreibung Westphalens“.