Niklas Regenbrecht
Der 10. Oktober 1943 hat sich tief in das historische Gedächtnis der Stadt Münster eingeprägt. An jenem Tag des Zweiten Weltkriegs fand im Rahmen des Luftkriegs der erste Tagesangriff und zugleich der schwerste Angriff auf die Stadt überhaupt statt.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Luftkrieg, der mit Beginn des Zweiten Weltkriegs in die vom Deutschen Reich überfallenen Nachbarländer und nach Großbritannien getragen worden war, längst gegen das Deutsche Reich gekehrt. Die Bombardierungen durch britische und US-amerikanische Verbände richteten sich nun nicht mehr nur gegen industrielle und militärische Infrastruktur, sondern als Teil der psychologischen Kriegsführung auch gegen die Zivilbevölkerung, um deren Durchhaltewillen zu schwächen.
Der Angriff an diesem sonnigen Sonntagnachmittag traf die belebte Münsteraner Innenstadt und forderte eine hohe Opferzahl (nach statistischen Angaben der Stadt 473 Zivilisten und rund 200 Soldaten). Die etwa 230 Bomber der US-Air Force, die in England gestartet waren, legten große Teile der Innenstadtgebäude in Trümmern. Neben der hohen Zahl an menschlichen Opfern ist das der Grund, warum dieser Angriff unter den über 100 Luftangriffen auf die Stadt in Erinnerung geblieben ist. Der 10. Oktober 1943 in Münster hat Widerhall gefunden in Ausstellungen, Veröffentlichungen von Berichten deutscher und alliierter Zeitzeugen, angesichts von Jahrestagen in Beiträgen in Presse oder Heimatzeitschriften. Er ist umfangreich dokumentiert in einem Ausstellungskatalog des Stadtmuseums von 1983, fand aber auch Eingang in die US-Populärkultur der Kriegsfilme.
Auch in den Tagebüchern einer zu diesem Zeitpunkt 16-jährigen Jugendlichen wurden der Tag, der Luftangriff und seine Folgen aus individueller Perspektive festgehalten. Renate Brockpähler wurde 1927 geboren, sie lebte mit ihren Eltern und ihrem Bruder in der Saarbrücker Straße im Süden von Münster und führte seit 1938 Tagebuch. Im Herbst 1943 war sie Schülerin der Freiherr vom Stein-Oberschule, an dem betreffenden Sonntagnachmittag war sie mit Gartenarbeiten befasst.
Luftangriffe bei Tag waren in Münster bislang nicht vorgekommen. Auch spielte das sonnige klare Wetter nicht nur den alliierten Piloten, sondern auch der deutschen Luftabwehr in die Hände, sodass viele Menschen wohl nicht ernsthaft mit einem Angriff gerechnet hatten. So wurden nicht nur viele Menschen in der Innenstadt überrascht, auch Renate Brockpähler und ihr jüngerer Bruder wurden im Schrebergarten der Familie auf der Habichtshöhe im Süden von Münster unvorbereitet Zeugen des Angriffs. Trotz bereits herrschenden Alarms wurden die Kinder von ihrer Mutter noch in den Garten geschickt.