Finanziert durch Karibikhandel. Gut Hohenfelde wird 200 Jahre alt

26.08.2025 Niklas Regenbrecht

Gut Hohenfelde heute. Foto: Marion Degel.

Christof Spannhoff

Kolonialismus in Westfalen zeigt sich nicht nur in Objekten, die aus aller „(Kolonial-)Herren Länder“ in die Region kamen und noch heute auf vielen Dachböden ihr Dasein fristen. Auch Gebäude können einen kolonialistischen Kontext aufweisen, wie die Entstehungsgeschichte von Gut Hohenfelde bei Lienen (Kreis Steinfurt) zeigt, das in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag feiert.

Eine etwa einen Kilometer lange, schnurgerade und leicht ansteigende Auffahrt mit Säulen am Anfang und Ende führt von der Verbindungsstraße zwischen Lienen und Bad Iburg auf die Anlage zu. Die heutige Bezeichnung des herrschaftlichen Anwesens als „Gut“ lässt eine lange, glanzvolle Vergangenheit vermuten. Doch trügt dieser Schein ein wenig, denn Gut Hohenfelde ist noch gar nicht so alt, wie man denken könnte. Das klassizistische Herrenhaus mit dem Portal aus zwei eingestellten toskanischen Säulen und einem dreieckigen Giebel mit kleinen Türmchen wurde erst 1825 – also vor genau 200 Jahren – von Johann Pagenstecher erbaut. Der Kaufmann errichtete das Gebäude allerdings nicht auf „grüner Wiese“, sondern auf der alten Hofstelle Upmeier, die Pagenstecher ein Jahr zuvor erworben hatte. Mit dem Abbruch des bestehenden Fachwerkgebäudes und dem Neubau des Gutshauses wurde aus dem ehemaligen Hof Upmeier das neue Gut Hohenfelde. Den Antrag Pagenstechers auf Namensänderung von „Upmeiersches Kolonat“ zu „Gut Hohenfelde“ genehmigte der Landrat im Juli 1825.

Der Hof Upmeier war ursprünglich ein Meierhof des Osnabrücker Bischofs gewesen, der bereits im Mittelalter nachweisbar ist. Seit dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ging es allerdings mit dem stolzen Anwesen wirtschaftlich immer weiter bergab, sodass sich der letzte Besitzer Johann Everd Upmeier 1824 zu dessen Verkauf entschloss. Die Familie Upmeier zog nach Brochterbeck.

Eine interessante Persönlichkeit ist der neue Eigentümer: Johann Joachim Ludwig Pagenstecher entstammte einer bekannten westfälischen Patrizierfamilie. Geboren 1780 in Lintorf bei Osnabrück als Sohn des dortigen Pfarrers, begann er 1796 eine Kaufmannslehre in Bremen. Spätestens 1804 fuhr er erstmals auf die Karibikinsel St. Thomas, wo er mehrere Jahre lebte. 1805 tat er sich mit Johann Friedrich Mühlenbruch zur Firma Mühlenbruch, Pagenstecher & Co. zusammen, die vor allem Leinen aus Pagenstechers westfälisch-osnabrückischer Heimat in die Karibik exportierte. 1820 geriet die Firma in Schwierigkeiten und wurde aufgelöst. Daraufhin kehrte Pagenstecher in seine Heimat zurück und investierte sein Vermögen in das neue Gut Hohenfelde. Die Verbindungen in die Karibik blieben aber bestehen, denn 1816 hatte er Sophie Boze geheiratet, die auf Curaçao geboren worden war. Deren Vater, der Franzose Jean Boze (1753–1842), war Kaufmann und kurzzeitig Plantagenbesitzer auf Saint Domingue gewesen, daneben wohl auch Pirat. Johann und Sophie Pagenstechers Sohn Ludwig, geboren 1822 in Lienen, zog es ebenfalls in die Karibik. 1843 ließ er sich in Haiti in der bedeutenden Hafenstadt Cap Haïtien nieder, wo er als Kaufmann für eine polnische Firma arbeitete. Sein Sohn Ludovic (1849–1930) wiederum sollte im Jahr 1900 die Firma L. Pagenstecher & Co gründen, mit deren kolonialen Kamerun-Geschäften (vor allem Kautschukhandel) er ein Vermögen verdiente. Das Jahrbuch der Millionäre bezifferte sein Vermögen 1908 auf 2,1 Millionen Mark. Mit dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft infolge des verlorenen Ersten Weltkriegs (1914–1918) begann der wirtschaftliche Niedergang der Firma. Gut Hohenfelde gehörte den Pagenstechers zu dieser Zeit allerdings schon lange nicht mehr. Nach dem Tod des Erbauers Johann Pagenstecher 1833 wechselte das repräsentative Anwesen mehrfach den Eigentümer. Aber das ist eine andere Geschichte.

Literatur

Tristan Oestermann, L. Pagenstecher: Ein afrokaribisch-deutsches Familienunternehmen zwischen Westfalen, Haiti und Kamerun, 1800-1914, in: Koloniale Welten in Westfalen, hrsg. v. Sebastian Bischoff u.a., Paderborn 2021, S. 117–131.

Christof Spannhoff, Geschichte des Gutes Hohenfelde, in: Quellen und Beiträge zur Orts-, Familien- und Hofesgeschichte Lienens, bearb. u. hrsg. v. Christof Spannhoff, Bd. 2: Streifzüge durch die Geschichte Lienens. Ein historisches Lesebuch, 2., verbesserte u. ergänzte Aufl., Norderstedt 2012, S. 66–69.