Sebastian Schröder
Es mutet wie ein typischer Stammtisch an, als sich am 3. August 1843 einige Eingesessene der Bauerschaft Sundern (heute Teil der Gemeinde Stemwede im Norden des Kreises Minden-Lübbecke) in der Rahdener Gastwirtschaft Pettenpohl trafen. Früher sei alles besser gewesen, schimpften und zeterten die Bauern in Richtung des preußischen Staates.
Aber die wütenden Landwirte trafen sich im August 1843 keinesfalls zu einer gemütlichen Stammtischrunde. Das besagte Gasthaus fungierte vielmehr als Ort einer Verhandlung zwischen den Sunderanern und den Beamten der Mindener Regierung, zu der der Herforder Gerichtsassessor Stohlmann eingeladen hatte. Das Aufeinandertreffen der streitenden Parteien hatte eine lange Vorgeschichte. Einst waren die Sunderaner Bauern dem nahegelegenen Stift Levern eigenbehörig gewesen. Sie verrichteten Hand- und Spanndienste, waren außerdem zu weiteren Leistungen verpflichtet. Mit der Säkularisation wurde das Stift aufgelöst. Der gesamte Besitz fiel dem Staat zu. Der preußische König wurde Rechtsnachfolger der ehemals geistlichen Institution und deren Vermögen. Ihm standen somit die vormals den Stiftsdamen zu liefernden Verpflichtungen der Eigenbehörigen zu. Denn die Eigenbehörigkeit bestand nach wie vor. Gleichwohl hatte der Monarch kein Interesse daran, dass ihm seine neuen Hörigen Hühner und Getreide in natura nach Berlin lieferten. Zudem sah er von weiteren Naturalabgaben ab. Stattdessen wollte er bare Münze.
Genau dagegen protestierten die Landwirte der Bauerschaft Sundern. Die Umrechnung von dinglichen Pflichten in eine Geldzahlung sei deutlich zu hoch ausgefallen. Ferner sei ohnehin problematisch, Natural- mit Geldleistungen aufzuwiegen. Der Fiskus müsse bedenken, dass die einst geleisteten Dienste abhängig von der Jahreszeit gewesen seien. Früher hätten sie nur „von Sonnen-Aufgang bis Sonnen-Untergang gedient“, berichteten die Bauern. Im Winter sei dementsprechend weniger gearbeitet worden. Folglich könne der König winters wie sommers nicht den gleichen Tarif fordern. Außerdem sei ihre Anreise bereits als Arbeitszeit bewertet worden. Des Weiteren hätten ihnen die Stiftsdamen eine zweistündige Mittagspause zwischen 12 und 14 Uhr eingeräumt. Sehnsüchtig verklärten die Bauern an die gute alte Zeit: „Solche Diensttage seien für Menschen und Vieh Freudentage gewesen, und sie wünschten nichts mehr, als daß solche Zeiten zurückkehren möchten.“ Denn den Pferden sei Stallung und Futter gewährt worden; sie selbst, ihre Knechte und Pferdejungen hätten Buchweizen, Grütze und Brot erhalten, zusätzlich ein Mittagessen – „bestehend aus zweierlei Gemüse und zweierlei Fleisch“. Sogar bei den sogenannten langen Ausfuhren, also Fuhrdiensten, die über drei Meilen Wegesstrecke betrugen, „hätten sie und die Pferde ein herrliches Leben und eine herrliche Bewirthung gehabt.“ Hinzu komme, dass niemals ein Gespann überladen worden sei.