Christiane Cantauw
Alle Jahre wieder liegen sie den Zeitungen bei: bunte Werbeprospekte, die uns die Entscheidung erleichtern sollen, was wir den (Paten-)Kindern, Oma und Opa, Tante Uschi und den Nichten und Neffen unter den Weihnachtsbaum legen sollen.
Weniger bunt, aber erstaunlich vielfältig und zahlreich wurde bereits um 1800 mit Anzeigen in Tageszeitungen um Kunden geworben. Im Archiv für Alltagskultur findet sich eine umfangreiche Sammlung solcher Werbeannoncen, die Geschäftsinhaberinnen und Geschäftsinhaber aus Münster und Umgebung im Münsterschen Intelligenzblatt (bis 1821), im Westfälischen Merkur (ab 1822) und auch in der Münsterschen Zeitung (ab 1897) geschaltet haben. Erste Erkenntnis aus der Durchsicht dieser Anzeigen aus der Zeit zwischen 1796 und 1915: Zum Ende des 18. und im beginnenden 19. Jahrhundert war der Geschenkeaustausch zum Weihnachtsfest im Münsterland kaum verbreitet; Anzeigen, die das Weihnachtsgeschäft ankurbeln sollten, finden sich daher nicht. Noch bewarb der Einzelhandel hauptsächlich das Neujahrsfest. Erstaunlich ist, dass sich der Nikolaustag, der in den münsterländischen katholischen Familien zu dieser Zeit als der wichtigste Kinderbescher-Termin galt, in den älteren Werbeanzeigen nicht niederschlägt.
Erst in den 1820er Jahren begannen die Münsterschen Geschäftsleute, auch das Nikolaus- und das Weihnachtsfest zu bewerben. Anfangs waren es vor allem die Buchbinder, die sich auch zu diesen Festen einen erhöhten Absatz für ihre Papierwaren erhofften. Sehr bald sprangen die Konditoren auf den Zug auf und boten Bonbonnieren, Königsberger Marzipan oder Citrusfrüchte, allem voran süße Apfelsinen oder saure Pomeranzen, auch Bitterorangen genannt, zum Kauf an. In wohlgesetzten Worten empfahl man sich dem „geneigten Zuspruche des Publikums“.
Importwaren galten vor 200 Jahren als besonderer Luxus, der zum Renommee des Schenkenden beitragen konnte. Königsberger Marzipan, Nürnberger Lebkuchen, Triester Maraschino, Wiener Neujahrsbillets, französisches Papier oder englische gepresste Dekorationen sollten begüterte Kunden ansprechen, die sich eine Auswahl an Waren nach Hause liefern lassen konnten, um dort in aller Ruhe eine Entscheidung darüber zu treffen, wem sie was schenken wollten.
Viele beworbene Produkte waren „um billigen Preis zu haben“. Für heutige Verhältnisse ist der Umgang mit dem Adjektiv „billig“ in den Zeitungsannoncen ungewohnt. Es lässt sofort an Billigware denken, meint hier aber „ebenmäßig, angemessen, geziemend“ – so die Definition aus Weigands Deutschem Wörterbuch von 1909 (5. Auflage). Oder wohlfeil, wie Jacob und Wilhelm Grimm 1860 im zweiten Band des Deutschen Wörterbuchs das Stichwort „billig“ unter anderem beschreiben: es sei „im handel und wandel für wolfeil gesetzt“.