Hofbrauen unter wissenschaftlicher Beobachtung

19.08.2022 Niklas Regenbrecht

„Der Bierbrauer und sein Sohn“, Foto: Bringemeier 1952, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 0000.01674.

Niklas Regenbrecht

Als erste Leiterin des Archivs für westfälische Volkskunde (heute Archiv für Alltagskultur in Westfalen) sammelte Martha Bringemeier nicht nur historische Zeugnisse von Alltagskultur und -geschichte, sie begab sich auch selbst ins Feld, um beispielsweise (vermeintlich) aussterbendes Handwerk zu dokumentieren. So fuhr sie im Jahr 1952 auf einen Hof in Legden, um dort die verschwindende Kunst des Hofbrauens zu beobachten, zu fotografieren und in einem Bericht zu dokumentieren. Bericht und Fotografien geben Zeugnis von der ehemals weit verbreiteten Selbstversorgung mit Bier.

Bringemeier beschrieb den Ablauf des Brauens, wie er ihr auf dem Hofe geschildert und teilweise gezeigt wurde. Sie gab die verschiedenen Arbeitsschritte wieder, von der Keimung der Gerste, dem Darren (Trocknen) auf einer „Eete“ (Esse), dem Mahlen, dem Brauen in einer Braupfanne über dem offenen Feuer, dem Sieben mit einer Konstruktion aus einem mit Roggenstroh ausgelegtem Weidenkorb und der Gärung in den Fässern (der gesamte Bericht findet sich am Ende dieses Artikels zum Herunterladen).

„Im Brauhaus des Hofes Schulze Hauling“, Foto: Bringemeier 1952, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 0000.01671.

Abgesehen von der Beschreibung der baulichen Vorrichtungen und des Brauablaufes handelt es sich bei dem Bericht Bringemeiers darüber hinaus fast schon um eine Verlusterzählung. Dass sie das bäuerliche Hofbrauen als vom Aussterben bedroht sah, machte sie gleich zu Beginn ihres Berichtes deutlich.

„Nach alter Tradition findet alljährlich in der Kar-Woche auf dem Hofe Schulze Hauling in Legden, Kr. Ahaus, das Brauen des Erntebieres statt. In diesem Jahr wurde es verschoben, weil die Steuerbehörde nicht rechtzeitig die Genehmigung erteilt hatte. Erstmalig ist in diesem Jahr nämlich die bäuerliche Brautätigkeit der gewerblichen Brauerei gleichgestellt. So kam denn auch während des Brauens ein Zollbeamter und überzeugte sich von der bearbeiteten Menge. Infolge dieser Schwierigkeiten ist Schulz[e] Hauling in diesem Jahr der einzige Bauer, der noch selbst braut. Auch er tut es nicht, weil es sich besonders lohnt, sondern weil alle Geräte vorhanden sind und sein Heuermann, der seit 30 Jahren auf dem Hofe braut, sich auf die Sache noch gut versteht, hauptsächlich aber auch, weil Schulze Hauling bewußt die Dinge der Heimat erhalten und pflegen möchte. Im vorigen Jahr waren es noch 9 Bauern, die selbst brauten, und vor dem 1. Weltkrieg wurde noch auf jedem Hof gebraut.“

Siebkonstruktion aus einem mit Roggenstroh ausgelegtem Weidenkorb, Foto: Bringemeier 1952, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 0000.01672.

Einige Teile des Brauvorganges, wie er vor dem Ersten Weltkrieg ausgesehen haben mag, konnte sich Bringemeier im Jahr 1952 auch nur noch aus der Erinnerung des Bauern berichten lassen. Das Malz wurde zu diesem Zeitpunkt bereits fertig von einer Brauerei gekauft, da durch den Umbau des Bauernhauses die ehemalige Darrvorrichtung über dem Rauchfang nicht mehr benutzbar sei. Auch der Hopfen wurde zugekauft, obwohl er „auf den Wallhecken zur Genüge selbst“ geerntet werden könnte. Der gekaufte Hopfen sei zwar teurer, dafür aber würziger.

Dass die Verfasserin „die Steuerbehörde“ für den Niedergang des Hofbrauens verantwortlich machte, verdeutlichte sie erneut zum Abschluss ihres Berichtes: „Es wäre zu wünschen, daß diese Brautätigkeit, die man nur noch so selten findet, geschützt und von steuerlichen Belastungen befreit würde, damit etwas von dem alten bäuerlichen Gewerbe erhalten bliebe.“

Vielleicht waren es jedoch nicht nur steuerliche Gründe, die zum Berichtszeitpunkt den Rückgang der Hofbrauerei beschleunigten. Die allgemeine Rationalisierung in der Landwirtschaft und der verhältnismäßig hohe individuelle Arbeitsaufwand bei der Produktion geringer Biermengen werden eine Rolle gespielt haben. Ebenso hatte die Entwicklung zur Konzentration auf große Brauereien zu dieser Zeit längst begonnen.

„Das Reinigen der Fässer“, Foto: Bringemeier 1952, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 0000.01676.

Das private Brauen war darüber hinaus seit dem Mittelalter durchgängig Versuchen der obrigkeitlichen Regulierung über Privilegierungen und Abgaben unterworfen. Hinzu kamen die Versuche, Qualität und Inhaltsstoffe über Brauordnungen zu beeinflussen. Das Reinheitsgebot von 1516 stellt hierbei nur die bekannteste einer Vielzahl von Vorschriften dar. Auch bei den wechselnden steuerlichen Regelungen des 20. Jahrhunderts handelte es sich insofern um keine Neuerung. Dass das private Brauen weder durch steuerliche Regulierungen noch durch andere Gründe ausgestorben ist – mithin die Befürchtungen Bringemeiers sich nicht bewahrheitet haben – zeigen insbesondere die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte.

Quelle:

Martha Bringemeier: Das Brauen auf dem Hofe Schulze Hauling in Legden, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, MS00690.

Der gesamte Bericht zum Nachlesen (pdf, 2,6mb).