Christiane Cantauw
Vor 120 Jahre entdeckte Max Geisberg bei Forschungen in London einen bis dahin verloren geglaubten Kupferstich von 1570, der eine Stadtansicht von Münster zeigt. Dieser Kupferstich, der seinerzeit nach einer Vorlage des Malers Hermann tom Ring von Remigius Hogenberg gefertigt wurde, ist nun für die Dauer von einigen Monaten wieder nach Münster zurückgekehrt. Er ist Leitobjekt in einer Sonderausstellung im Stadtmuseum, die sich um das Münsteraner Alltagsleben vor rund 450 Jahren rankt.
Bernd Thier, der Kurator der Ausstellung, nimmt den detailreichen Kupferstich zum Ausgangspunkt einer historischen Ist-Aufnahme: Was lässt sich dieser und anderen Quellen über das Leben in der Stadt um das Jahr 1570 entnehmen?
Wie immer, wenn es um historisch weit zurückliegende Zeiten geht, ist die Quellenlage entscheidend, ob und welche Geschichten erzählt werden können. Die Kerssenbroicksche Chronik, Ratsprotokolle, Gemälde, Waffen, Zeichnungen, Urkunden und Münzen künden vom Alltagsleben an der Schwelle zur Neuzeit. All das ist in der Ausstellung zu sehen und wird in seiner Besonderheit eingehend erklärt. Schließlich ist es keine Selbstverständlichkeit, dass wir heute darüber Kenntnis erhalten, wie sich im 16. Jahrhundert das Leben vor den Stadtmauern gestaltete oder wie ausschweifend die Münsteraner Fastnacht gefeiert haben. Ersteres – beispielsweise ein Schweinehirt, die Gemüsegärten der Bürger oder ein Ballspielplatz – ist auf dem Kupferstich zu sehen, letzteres weiß der damalige Rektor der Domschule Hermann Kerssenbroick, der um das Jahr 1570 herum ein Manuskript über die Geschichte der Täufer in Münster verfasste und in neun einleitenden Kapiteln eine detaillierte Beschreibung der Stadt und ihrer Bewohner ablieferte. Das Original dieser Chronik, das 2009 bei einer Auktion erworben werden konnte, ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.