Juden in Nordlippe. Ein Ausstellungsprojekt zu jüdischen Familienbiografien und zu Orten jüdischer Geschichte vom 18. bis zum 20. Jahrhundert

29.04.2022 Niklas Regenbrecht

Brücke über die Bega für den Damm des Eisenbahnanschlusses der Lippischen Thonwarenfabrik, erbaut um 1900. Bis in die Gegenwart ist das frühere jüdische Ziegelei-Unternehmen in Dörentrup als „Judenwerk“ bekannt. Der Betrieb wurde im Jahre 1973 aufgegeben. Die Fabrikgebäude wurden um 1985 abgerissen. (Peter Wehowsky, Bielefeld)

Jürgen Scheffler

Um 1800 lebten in den Dörfern Nordlippes und in der Stadt Barntrup zahlreiche Juden. Als Schutzjuden hatten sie einen besonderen rechtlichen Status. Erst im Zuge der Gleichstellung der Juden in Lippe 1849 sowie 1858 wurden die damit verbundenen Beschränkungen aufgehoben.

Um 1800 gehörte Isaac Samson zu den Schutzjuden in Bega. Als die Juden in Lippe auf Grund einer Verordnung der Fürstin Pauline aus dem Jahre 1809 deutsche Familiennamen annahmen, wählte Isaac Samson den Namen Hochfeld, nach einer Flurbezeichnung in Bega. In den frühen 1840er Jahren verließ er mit seiner Familie Bega und zog über Brake nach Lemgo. Er war der erste Jude, der 1849 in den Bürgerverband der Stadt aufgenommen wurde.  

In Lemgo wurden seine Söhne Isaac und Jacob Hochfeld, die in Bega geboren waren, erfolgreiche Kaufleute und Unternehmer. Isaac Hochfeld gehörte zu den Mitgründern der „Lippischen Thonwarenfabrik“  in Dörentrup, Jacob Hochfeld führte den Pferdehandel seines Vaters fort.

Die Söhne von Isaac Hochfeld gründeten ein Importgeschäft für Südfrüchte. 1904 wurde die Firma von Lemgo nach Hamburg verlagert. Siegmund Hochfeld, der Sohn von Jacob Hochfeld, betrieb den Pferdehandel in Lemgo bis zu seinem frühen Tod 1924.

Heinz, Lotte und Ernst Hochfeld, die Kinder von Siegmund Hochfeld und seiner Frau Paula, wuchsen in Lemgo auf. Ihre Lebenspartner bzw. –partnerinnen kamen aus jüdischen Familien in Nordlippe. So entstand ein verwandtschaftliches Netzwerk der Familien Hochfeld aus Lemgo, Schleyer aus Bösingfeld, Arensberg aus Alverdissen, Maybaum aus Barntrup und Rosenheim aus Lüdenhausen.

In der NS-Zeit konnte eine Reihe von ihnen emigrieren, u.a. in das damalige Palästina und nach Südafrika. Diejenigen, die in Deutschland blieben, wurden deportiert und in den NS-Vernichtungs- und Konzentrationslagern ermordet.

Heute leben die Nachkommen der Familien auf fünf Kontinenten. 59 von ihnen trafen sich im April 2017 zu einem Familientreffen in Lemgo und zur Eröffnung der Ausstellung „Gehen oder Bleiben? Die jüdische Familie Hochfeld“. Im Februar 2019 wurde die Ausstellung im „Johannesburg Holocaust & Genocide Centre“ in Südafrika gezeigt. Die Initiative ging von Steve Hochfeld aus, der mit seiner Frau Penny in Johannesburg lebt. Die Ausstellung wurde in Anwesenheit von mehr als 200 Gästen eröffnet.

Jüdischer Friedhof in Bega, Sibbentruper Straße. (Peter Wehowsky, Bielefeld)

Das Ausstellungsprojekt „Juden in Nordlippe“ ist eine Fortsetzung der vorangegangen Ausstellungen, aber mit neuen Akzenten und der Schwerpunktsetzung auf den nordlippischen Gemeinden und der Stadt Barntrup.

Das Ausstellungsprojekt besteht aus zwei Ausstellungsteilen:

Die Wanderausstellung „Die Hochfelds und ihre Verwandten. Jüdische Familiengeschichten aus Nordlippe vom späten 18. bis ins 20. Jahrhundert“. Sie umfasst 14 Banner und ist bis zum 29.04.2022 im Schloss Brake (Verwaltungstrakt) zu sehen.

Die Ausstellung „Orte jüdischer Geschichte im Bega- und Extertal“ im Europawaggon der Landeseisenbahn Lippe e.V.. Vorgestellt werden acht Orte jüdischer Geschichte entlang der Bahnstrecke zwischen Lemgo und Bösingfeld. Damit wird ein ungewöhnlicher Zugang zur Geschichte des Landjudentums in Lippe erprobt.

Beide Ausstellung werden am 01.05.2022 im Kulturstellwerk Nordlippe an der Bahnmeisterei Farmbeck (Industriestraße 2, Dörentrup) zu sehen sein, und zwar im Rahmen des Bahnhofsfestes. Anschließend werden beide Ausstellungen in verschiedenen Orten in Nordlippe gezeigt.

Die genauen Termine sind auf der Homepage des Kulturstellwerks Nordlippe veröffentlicht: www.kulturstellwerk-nordlippe.de

Im Rahmen des Programms „Dritte Orte – Häuser für Kultur und Begegnung im ländlichen Raum“ vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW wird der frühere Bahnhof Farmbeck zu einem „Dritten Ort“ entwickelt: dem „Kulturstellwerk Lippe“. Hier entsteht zukünftig ein Treffpunkt. Entlang der Exter- und Begatalbahn werden zudem Kunst- und Kulturprojekte gemeinsam mit Akteuren vor Ort weiterentwickelt.

Das Ausstellungsprojekt wird getragen von den nordlippischen Gemeinden, der Stadt Barntrup, dem Landesverband Lippe, dem Kulturstellwerk Nordlippe, dem Verein Landeseisenbahn Lippe e.V. und den Museen der Stadt Lemgo. Gefördert wird das Ausstellungsprojekt durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Kategorie: Ankündigungen

Schlagworte: Museum · Jürgen Scheffler