Julbogen und Sinnbildgebäck. Weihnachten im Nationalsozialismus

09.12.2025 Niklas Regenbrecht

'Julbogen' mit 'Menschenpaar' und 'Odalsschleife' (aus Weihnachtszeit - Von Art und Brauch 1938).

Andreas Eiynck

Ein jüdischer Knabe als Anlass für das Weihnachtsfest – das passte so gar nicht in die Gedankenwelt und die Ideologie der Nationalsozialisten. Und da Weihnachten in der abendländischen Kultur so tief verankert ist wie kein anders Fest galt es, am Weihnachtstermin ein „Julfest“ angeblich germanischen Ursprungs als Alternative zum christlichen Weihnachtsfest zu institutionalisieren. Christliche jahreszeitliche Symbole und Rituale sollten durch nationalsozialistische Zeichen und Festformen ersetzt werden.

Um das zu erreichen, setzte man den auf eine breit gefächerte Propaganda: Mit einer Fülle von Informationsschriften und Handreichungen für Vereine und Verbände, Schulen und Kindergärten, Gruppen und Familien versuchten die entsprechenden NS-Organisationen Weihnachten in einen neuen Sinnzusammenhang zu stellen und den nationalsozialistischen Julfestkult zu verbreiten. Die Leitlinien waren dabei offensichtlich vorgegeben von der Kulturabteilung in der Reichspropagandaleitung der NSDAP. Verbreitet wurden sie über Organisationen wie die NS-Frauenschaft und die Abteilung Volkskunde/Brauchtum der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude, aber auch durch Sportverbände und die Organisationen der Truppenbetreuung im Zweiten Weltkrieg. Hinzu kamen die NS-gesteuerten Zeitschriften und Buchpublikationen wie die ab 1939 jährlich in hoher Auflage zum Weihnachtsfest erscheinende Schrift „Deutsche Kriegsweihnacht“.

Weihnachtsausgabe des 'Dietwart' 1937.

So veröffentlichte die Zeitschrift „Der Dietwart“ (Amtliche Zeitschrift des deutschen Reichsbundes für Leibesübungen) in der Novemberausgabe 1936 „Anregungen zur Gestaltung der Julfeier 1936“. Als Veranstaltungsort für Vereinsfeiern zum Julfest wurde ein Saal empfohlen, der außer mit Tannengrün und Kerzen auch mit einem „Julbaum“ und natürlich mit Hakenkreuzfahnen geschmückt sein sollte. Für die musikalische Begleitung kamen selbstverständlich nur „Musikstücke deutscher Tonsetzer“ in Frage.

Das Programm sollte aus mehreren Teilen bestehen, beginnend mit der eigentlich Julfeier (Inhalte: der Julgedanke, deutsches Volkstum, Glaube und Ehre), einem daran anschließenden Laienspiel sowie im dritten Teil mit „Freude und Frohsinn“ durch „Julklapp und heitere Vorträge“.

'Julleuchter' (aus Vorweihnachtliche Feier, 1940).

Zum Charakter der Feier wird angemerkt: „Unsere Feste dürfen nie und nimmer weichlich und weibisch, schwärmerisch und romantisch sein. Die Werte, die für unsere Zukunft allein bestimmend sind, klingen daher auch in unserer Julfeier auf: Männliche Haltung, heldisches Denken, kämpferisches Streben, entschlossenes Wollen“. Anklänge an rührselige Advents- und Weihnachtsfeiern galt es zu vermeiden.

Empfohlen wurde im „Dietwart“ auch das Vortragen des Gedichtes „Mein Glaube“ von Bogislav von Selchow: „Ich glaube an ein einiges Deutsches Reich, An ein Reich, dem ewige Treue eingeboren…“, dessen Anlehnung an das apostolische, christliche Glaubensbekenntnis nicht zufällig war. Auch das Singen von Kampfliedern der SA wurde vorgeschlagen und am Ende der „Deutsche Schwur“ von Ernst Paust. Der Ablauf besonders des ersten Teils der Julfeier zeigte also eine starke pseudoreligiöse Dramaturgie. Und dabei ging es im „Dietwart“ ja immer um Sportvereine als Zielgruppe.

Heft Weihnachtszeit aus der Folge 'Von Art und Brauch' (1939).

Etwas anders geartet waren die Vorschläge zur Gestaltung des Julfestes in den Schriften des NS-Frauenwerkes. Dabei wurde unterschieden zwischen den Julfeiern in einer größeren Gemeinschaft und einer privaten Julfeier in der Familie.

Der Sinn des Weihnachtsfestes wird in der Schrift „Vorweihnachtliche Feier“ der NS-Frauenschaft wie folgt formuliert: „… Wenn Menschen wieder ursprünglich wie Kinder empfinden, schließt sich der Ring des Lebens in allebendiger Neugeburt. Dann haben die Sinnbilder Kranz und Weihnachtsgeleucht, Lebensbaum und lichterstrahlender Weihnachtsbau altneue Sinnerfüllungen wiedergefunden, weil unser eigenes Wissen sich selbst gewann. Auch wir wurden wiedergeboren und fanden neue Beständigkeit im ewigen Stirb und Werde“. (Vorweihnachtliche Feier, 1940, S. 57).

'Sinnbildgebäck' mit Erläuterung der Symbole (aus Weihnachtszeit, 1942).

Ein thematischer Schwerpunkt in den Schriften des NS-Frauenwerkes lag auf der Gestaltung des Raumes und der Tischdekoration, die offensichtlich als Aufgabe der Frauen betrachtet wurden. Das Schmücken des Raumes mit einem „Julkranz“ und einem „Julbogen“ sollte die Julfeier einleiten. Als Dekoration empfohlen wurde sogenanntes „Sinnbildgebäck“, das die Frauen im Idealfall selber backen sollten.

Um den Julkranz und den Julbaum vom christlichen Weihnachtsbaum unterscheiden zu können, durfte er zwar mit Kerzen (als Lichtsymbol) geschmückt werden, sollte aber keine christlichen Zeichen aufweisen. Empfohlen wurden folgende Symbole, deren Bedeutung entsprechend erläutert wurde: Das Sonnenrad (als Symbol des Jahreslaufes und der Ewigkeit), die Spirale (als Symbol der zulaufenden Zeit und der Sonnenwende), Die Lebens- und die Todesrune, das Wickelkind (als Symbol des neuen Lebens), Mann und Frau (als Ursprung des Lebens), die Bretzel (als Symbol der Verbundenheit), der Lebensbaum (gedeutet als Vorläufer des Weihnachtsbaumes) und die „Odalschleife“ (als Sinnbild für „Fruchtbarkeit und Erbgut“).

'Lichtsprüche' (aus Weihnachtszeit, 1942).

Das Licht sollte sowohl in den Gemeinschaftsfeiern als auch bei der häuslichen Julfeier im Mittelpunkt stehen. Das Entzünden und Präsentieren der Lichter wurde von „Lichtsprüchen“ begleitet, die die Bedeutung von Licht und Flamme erläuterten, z.B. „Die Flamme loht, der Himmel brennt, das Volk zwingt Not, ein Volk bekennt“ oder „Flamme verzehre die feindliche Schranke, die heut den Bruder vom Bruder noch trennt. Eins wollen wir werden in Tat und Gedanke, ein Volk, dass sich jubelnd zum Führer bekennt“.

Beim Weihnachtsessen war anstelle eines Tischgebetes ein „Tischspruch“ vorgesehen, bei dem in den Anleitungen christliche Bezüge bewusst vermieden wurden, z.B. „Wir stehen vor vollem Tisch und sind voll Dank, dass wir des Leibes Hunger können stillen. Wir sehen Deutschlands Äcker grün und blank und fühlen Segen ihrem Grund entquillen“.

Mit all diesen Elementen sollte das „deutsche Weihnachfest“ von seinen jüdisch-christlichen Wurzeln befreit und in ein neues, ideologisch konstruiertes „Julfest“ auf der Grundlage einer diffusen nordisch-germanischen Mythologie umgewandelt werden. Dahinter stand jedoch die rassistische und menschenverachtende „Blut- und Boden“-Ideologie der Nationalsozialisten.

'Julbogen' (aus Vorweihnachtliche Feier, 1940).

Quellen (Auswahl):

Erika Semmler (Bearb.): Von Art und Brauch – Weihnachtszeit. Mitteilungen der Reichsfrauenführung/Deutsches Frauenwerk. Hrsg. von der Hauptabteilung Kultur/Erziehung/Schulung, Heft 1. Potsdam 1938.

Vorweihnachtliche Feier. Hrsg. und gestaltet vom Amt „Feierabend“ der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, Abteilung Volkstum/Brauchtum. O.O., 1940.

Weihnachtszeit. Hrsg. von der NS-Frauenschaft, Abteilung Kultur-Erziehung-Schule. O.O. 1942.

Der Dietwart. Amtliche Zeitschrift des deutschen Reichsbundes für Leibesübungen. (Jg. 1935 bis 1938)

Hermann Liese (Red.): Deutsche Kriegsweihnacht. Hrgs. vom Hauptkulturamt in der Reichspropagandaleitung der NSDAP. Zentralverlag der NSDAP Franz Ehler Nachf. München 1943.

 

Literatur:

Judith Breuer und Rita Breuer: Von wegen heilige Nacht! Das Weihnachtsfest in der politischen Progaganda. Verlag an der Ruhr. Mülheim a.d. Ruhr 2000.

Ester Gajek: Weihnachten im Dritten Reich. Der Beitrag von Volkskundlern an den Veränderungen des Weihnachtsfestes. In: Ethnologia Europaea XX, 1990, S. 121-140.