Menschen und Insekten
Wanderausstellung „Kleine Giganten“ im Emslandmuseum
Andreas Eiynck
Viele spritzen wir einfach weg, andere bewundern wir und stellen sie unter Artenschutz. Als Plagegeister schlagen wir sie am liebsten tot – wenn wir sie nur kriegen. Und manche verspeisen sie neuerdings sogar. Menschen und Insekten – eine eigenartige Beziehung, auch im Museum.
Der Lingener Sammler und Museumsgründer Pastor Gerhard Tegeder war ein großer Insektenfreund. Auf seine Art. Einheimische und exotische Tiere, vor allem Schmetterlinge, reihte er fein aufgespießt in ordentlich sortierten Schaukästen zwischen den Jagdtrophäen und Gehörnen seiner Ausstellungsräume auf. In den 30er Jahren stellte Rektor Wilhelm Apel eine Schmetterlingssammlung zusammen, die in 99 Schaukästen Einheimische und Exoten als Raupen und Schmetterlinge in Versatzstücken ihrer natürlichen Umgebung präsentiert. Den Wert dieser lange Zeit magazinierten Kollektion erkannte erst 2017 Dr. Stefan Meyer vom Eulenburg-Museum in Rinteln, als er in niedersächsischen Museen Ausschau hielt nach Exponaten für die Ausstellung „Kleine Giganten“ über Insekten, Skorpione, Spinnen und Co., die er im Auftrag von „BINGO! die Umweltlotterie“ zusammengestellt hat.
Die Wanderausstellung (bis zum 31.12.19 im Emslandmuseum Lingen) zeigt aber nicht nur aufgespießte Sammlungsstücke von anno dazumal, sondern präsentiert in 30 naturnah gestalteten Terrarien mit lebenden Tieren eine faszinierende Lebenswelt im Kleinformat. Damit entspricht die Ausstellung einem aktuellen Trend – der Haltung von Insekten und ähnlichen Tieren als Haustiere im Terrarium. Wo einst Zierfische und Reptilien das heimische Wohnzimmer bereicherten, finden heute Tausendfüßer, Vogelspinnen oder Sonnenanbeterinnen ihre Liebhaber.
Einer der größten Züchter und Anbieter in diesem Bereich in Norddeutschland ist Martin Höhle, Inhaber der „Pet Factory“ in Hülsede bei Hannover, der Tiere, Futter und Zubehör online vertreibt. Über das kommerzielle Interesse hinaus ist dem anerkannten Fachmann die Forschung und die Information über Insekten ein besonderes Anliegen. Er hat die Terrarien für die Ausstellung sorgsam zusammengestellt und naturnah gestaltet. Höhle berät auch die beteiligten Museen kontinuierlich bei der artgerechten Haltung und Betreuung der sechs-, acht- und tausendbeinigen Museumsgäste.
Von der naturnahen Lebenswelt ohne natürliche Feinde in den Museumsterrarien können angesichts des Insektensterbens die meisten Artgenossen in der freien Wildbahn nur träumen. In diesem Punkt ähnelt die Insektenschau im Museum im Grunde der Haltung historischer Haustierrassen in vielen Freilichtmuseen.
Wenn man es so betrachtet, ist man von Schmetterlingskästen Pastor Tegeders vielleicht gar nicht so weit entfernt. Denn Rettung, Erhaltung, Präsentation, durch Staunen Interesse wecken – das gehörte auch bei ihm zum Programm. Nur ohne Terrarien, Internet und DHL. Und sein eigenes Freilichtmuseum hatte Tegeder ohnehin noch auf dem elterlichen Bauernhof an der Ems.