Timo Luks
1884 wurde in Leipzig der Deutsche Radfahrer-Bund (DRB) gegründet. Die 40 regionalen Gliederungen trugen den Namen „Gau“. Gaueinteilung und Gaugrenzen lassen sich auf einer durch die Polnische Nationalbibliothek digitalisierten Karte aus dem Jahr 1892 nachvollziehen: http://polona.pl/preview/46231a0f-2443-4198-977f-e6ff768d5ba8. Westfalen war als Gau III präsent.
In den Händen der einzelnen Gaue lagen die Beantragung und Organisation von Radrennen und Wanderfahrten, aber auch eine vielfältige Publikationstätigkeit. So entstanden zahlreiche Karten und Tourenbücher für Radfahrerinnen und Radfahrer. 1901 erschien im Bielefelder Verlag C. Brockmann der Wegweiser für Radfahrer durch den Gau III (Westfalen und Lippe-Detmold) des Deutschen Radfahrer-Bundes.
Im Vorwort wies der 1. Vorsitzende des westfälischen Verbands, Dr. Fischer, darauf hin, dass die Planungen dafür bereits länger zurückreichten. „Durch verschiedene Umstände verzögerte sich die Sichtung und Zusammenstellung des bereitwilligst vom Gaufahrwart, Herrn H. Ensenroth, Bielefeld, und von mehreren Sportskollegen dem Gau zur Verfügung gestellten Materials; ausserdem waren aber noch zahlreiche Touren lediglich für den ‚Wegweiser‘ abzufahren, eine Arbeit, der sich hauptsächlich wiederum oben genannter Gaufahrwart unterzog.“
Das Vorwort präsentierte den Band als „nützliches Hilfsmittel beim Wanderfahren […] durch unser liebes, schönes Westfalenland“ und präsentierte das „Wanderfahren“ wiederum als „schönsten Zweig unseres Radsports“. Wanderfahrten hatten keinen Wettkampfcharakter, waren aber in den ersten Jahrzehnten der Rad- und Radsportgeschichte außerordentlich bedeutsam. Oft wurden sie von den gleichen Vereinen organisiert, die sich auch an (Amateur-)Radrennen beteiligten und auf diese Weise unterschiedlichen Interessen am Radfahren Rechnung trugen. Zahlreiche Vereine verfolgten – mit unterschiedlichen und sich auch über die Zeit immer wieder verändernden Schwerpunkten – eine Doppelstrategie: Wanderfahrten und Rennbeteiligung bzw. Rennorganisation. Der Iserlohner Kreisanzeiger berichtete beispielsweise am 29. April 1909 in einer Mitteilung über den ortsansässigen Verein, den Radfahrer-Klub 1894:
„Dem Wanderfahren in unsere nähere und weitere Umgebung wird auch in diesem Jahre seitens des Radfahrer-Klubs 1894 (Bundes-Verein) besonderes Interesse entgegengebracht. Eröffnet wird die Fahrsaison am nächsten Sonntag früh mit der Fahrt ins romantische Hönnetal; außer diesen kleinen Klub-Partien, die regelmäßig Sonntags früh und an den Wochenabenden mit wechselndem Ziele stattfinden, hat der Klub auch für jeden Monat eine Tagesfahrt vorgesehen und zwar eine solche zum Altenberg, ins Aggertal und nach Berleburg. Um auch die sporttreibende Jugend und Straßenwettfahrer zu ihrem Recht kommen zu lassen, sind gemeinschaftliche Trainingsfahrten, Fernfahrten wie Rund um Iserlohn am 20. Mai, Quer durch Westfalen am 27. Juni, beschlossen, die ebenfalls großes Interesse für unsere Radler haben dürften. Zu allen Tourenfahrten sind Nichtmitglieder des Vereins willkommen und hoffentlich machen recht viele Freunde unseres schönen Radsport[s] von dieser Gelegenheit Gebrauch.“
Zahlreiche Vereine erschlossen seit der Wende zum 20. Jahrhundert ein Radrenn- und Radwander-Westfalen und trugen so zu einer räumlich erfahrbaren regionalen Identität bei. Tourenbücher systematisierten diesen Raum. Der Wegweiser für Radfahrer durch den Gau III vermerkte im Vorwort:
„Es sind nur grössere Touren zusammengestellt, die aber ziemlich das ganze Gebiet unseres Gaues erschliessen und aus denen wieder gewünschte kleinere Touren herausgefunden werden können.“