„alles aus Eisen, was früher auf einem Bauernhof so war“ – Die Sammlung Reckfort

22.04.2025 Niklas Regenbrecht

Kesselhaken und Kochtöpfe in der Sammlung Reckfort.

Andreas Eiynck

Fragt man im Münsterland nach alten Herdfeuergeräten, dann landet man früher oder später bei der Sammlung von Friedrich Wilhelm Reckfort (1937-2002) und der „Stiftung Niederdeutscher Gräftenhof“ in Nordwalde.

Reckfort wurde 1937 in Münster geboren. Sein Vater, Inhaber eines Architektenbüros, stammte von einem Kotten in Nienberge. Der Sohn Friedrich Wilhelm war das einzige Kind und hatte schon früh ein besonderes Interesse an seinen bäuerlichen Vorfahren im Münsterland.

Schon als Gymnasiast lernte Reckfort seine spätere Frau Ortrud kennen. Sein Berufsziel war ursprünglich „alles, nur nicht Architekt“. Also Apotheker. Später studierte er Biologie, interessierte sich für Zoologie und Botanik. Nach der Heirat 1961 stellten sich bald die ersten Kinder ein. Reckfort machte am Ende doch den Abschluss in Architektur und stieg in das Büro seines Vaters ein.

Ein Cousin schenkte dem jungen Ehepaar einen alten Kesselhaken, der in der Wohnung aufgehängt wurde. Weitere Herdgeräte folgten und bald türmten sich in den Garagen Haole (Kesselhaken) unterschiedlichster Art, Glutzangen und Kucheneisen, Feuerböcke und andere Herdgeräte, kurzum: alles aus Eisen rund um das offene Herdfeuer.

Jeder Schrotthändler in einem weiten Umkreis von Münster kannte Reckfort, der in den 1960er-Jahren mit seiner Frau so manchen Haufen mit Alteisen durchwühlte. Und im Schrott landeten die alten Herdgeräte damals massenhaft. Es war die Zeit, in der die alten Herdfeuer endgültig aus dem Alltag verschwanden. Die einfachen alten Herdgeräte wurden mit dem übrigen Alteisen an die Schrotthändler verkauft. Oft sah man Reckfort mit einem Tuch vor den Mund gebunden und mit einer Runddrahtbürste in der Hand beim Entrosten seiner Neuerwerbungen.

1969 übernahm Reckfort das gut laufende Architekturbüro seines Vaters, aber er spürte bald, dass Architektur eigentlich nicht sein Ding war. Er träumte von einem Leben auf dem Lande mit einer großen Familie auf einem Bauernhof.

Der Grätenhof Essing, heute Reckfort, in Nordwalde.

Ein geeignetes Objekt fand er 1972 mit dem Resthof Essing in Nordwalde. Dieser uralte Gräftenhof war 20 Jahre lang verpachtet gewesen, sah mit seinen alten Fachwerkgebäuden äußerlich noch aus wie im 19. Jahrhundert. Innen hatte der Eigentümer allerdings stark umgebaut und die große, alte Küche in mehrere Wohnräume aufgeteilt.

Reckfort verkaufte sein Architekturbüro, restaurierte den Bauernhof und 1972 zog die Familie mit neun Kindern in das alte Bauernhaus mit der wiederhergestellten großen Kaminküche ein. Auf einem angrenzenden Gelände gründete Reckfort eine Schäferei. 1976 legte er die dafür notwendige landwirtschaftliche Gesellenprüfung ab und absolvierte 1979 die Schäfermeisterprüfung.

Im früheren „Pottstall“ des Bauernhauses richtete Reckfort einen Depotraum für seine Sammlungsbestände ein. Mittlerweile waren Herdgeräte gesuchte Dekorationsstücke, für die auch entsprechende Preise verlangt wurden. Reckfort erwarb jetzt nur noch wenige Stücke, die seine Sammlung ergänzten, und konzentrierte sich auf die vorhandenen Bestände. Und die waren gewaltig: fast 1000 Kucheneisen, 700 bis 800 Kesselhaken unterschiedlichster Art und Ausführung, Feuerböcke und weitere Herdgeräte, Kochtöpfe, Bratpfannen und Wasserkessel. Hinzu kamen Öllampen, Röster und Waagen – eigentlich „alles aus Eisen, was früher in einem Bauernhaus so war“, fasst Sohn Martin Reckfort den Inhalt der Sammlung zusammen.

Aber auch etwa 100 Eichentruhen und andere bäuerliche Möbelstücke, Stövchen, Haubenschachteln, Steinzeugkrüge und vieles andere mehr hat Friedrich Wilhelm Reckfort in den 1960er-Jahren zusammengetragen.

Wohnbereich im alten Bauernhaus.

Reckfort wurde als Herdgerätesammler weithin bekannt und unterhielt Kontakte zu vielen anderen Sammlern und Museumsleuten, u.a. zu Hermann Kaiser vom Museumsdorf in Cloppenburg und Josef Schepers, dem Gründer des Freilichtmuseums in Detmold, der in Münster wohnte. Schepers und Reckfort waren „wie Pott und Deckel“, erinnert sich Frau Reckfort an die beiden.

In den 1980er-Jahren begann Reckfort ein Studium der Volkskunde, Kunstgeschichte und Ur- und Frühgeschichte an der Universität Münster. Die Schäferei übergab er 1987 an seinen Sohn Martin und promovierte 1992 bei Prof. Hinrich Siuts zum Thema „Wanderschäfer“. Doch nach der Überreichung der Promotionsurkunde in der Aula des Schlosses zu Münster im Februar 1993 verlor er rasch das Interesse am akademischen Leben und konzentrierte sich auf die weitere Restaurierung seines Hofes und seiner Sammlung. Zehn Jahre später starb Reckfort 2002 im Alter von 65 Jahren nach langer, schwerer Krankheit.

Sein Lebenswerk, den restaurierten Gräftenhof Essing und die umfangreiche volkskundliche Sammlung, brachten er und seine Ehefrau Ortrud bereits 2001 in die „Stiftung Niederdeutscher Gräftenhof“ in Nordwalde ein.

Die Herdgerätesammlung umfasst Alltagsgegenstände, wie sie früher auf jedem Bauernhof in Nordwestdeutschland zu finden waren. Genaue Herkunftsangaben gibt es nur zu wenigen Stücken. Aber die Masse und die Vielfalt der Herdgeräte, die hier von einem Sammler zusammengetragen wurden, ist an sich schon beeindruckend.

Nordwalde, Hof Reckfort, Herdfeuer.

Durch die Art ihrer Entstehung ist die Sammlung ein einmaliges Geschichtszeugnis, denn sie dokumentiert einen besonderen Abschnitt der Alltagsgeschichte, den man so nur in den 1960er-Jahren sammeln konnte: das Ende der Herdfeuer. Das begann zwar schon mit der Einführung der Kochmaschinen im 19. Jahrhundert, aber in den Notzeiten der Kriegs- und Nachkriegsjahre war man häufig froh, wenn man noch über eine solche Feuerstelle und das entsprechende Herdgerät verfügte. Und man konnte ja nicht wissen, was noch kommen würde. Dies änderte sich in den Zeiten des Wirtschaftswunders. Vielen wurde jetzt klar, dass sie das Zubehör für das Herdfeuer in Zukunft nie mehr brauchen würden. Und so kamen solche Stücke in den 1960er-Jahren massenhaft auf den Schrotthaufen.

Waagen und Kleingeräte.

Ein Jahrzehnt später waren die alten Herdgeräte schon gesuchte Sammlerstücke, die an eine mittlerweile verklärte Vergangenheit erinnern sollten, aber da hatte Friedrich Wilhelm Reckfort seine Sammlung längst aufgebaut.