Stoffe aus Westfalen in Afrika? Eine Ausstellung im LWL-Museum Textilwerk Bocholt folgt den Spuren westfälischer African Prints

18.07.2025 Niklas Regenbrecht

Jessica Rehrmann

Bis zum 2. November 2025 bietet die Ausstellung „Muster und Märkte. Auf den Spuren westfälischer African Prints“ Einblicke in die Geschichte der in Afrika verbreiteten Batiken, sogenannter African Prints und deren (post)kolonialen Verbindungen zu Westfalen. Anhand von Objekten wie Fotografien, Firmenakten, Druckmaschinen und den Stoffen selbst wird eine komplexe Geschichte erzählt, die sowohl koloniale Verflechtungen als auch die gegenwärtige Bedeutung dieser spezifischen Textilien behandelt. Die Ausstellung wurde unter der Leitung von Prof. Joachim Baur von einer Gruppe Master-Studierender der Kulturanthropologie des Textilen an der TU Dortmund kuratiert.

Geschichte der African Prints

Bei den sogenannten African Prints (auch African Wax Prints) handelt es sich um Baumwollstoffe mit in Batik hergestellten Mustern. Im Textilfärbeverfahren Batik deutet sich bereits eine koloniale Verbindungen an, denn die  javanesische Technik der Stofffärberei kam über niederländische Händler der Ostindien-Kompagnie nach Europa.

Von links nach rechts: Model für den Blaudruck von ca. 1800 - 1840, Tjanting (indonesisches Werkzeug für die Herstellung von Batikstoffen) und die Broschüre „Wie ein Habig Stoff entsteht“, um 1965. (Foto: Rehrmann)

Dort wurden die gemusterten Baumwollstoffe mithilfe neuer Maschinen industriell hergestellt. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Handel mit Wax Prints aus Europa in Westafrika, wo die Stoffe bis heute weit verbreitet sind und sich großer Beliebtheit erfreuen. Zwischen den 1920er und 1970er Jahren produzierten auch deutsche Hersteller für den afrikanischen Markt. So beispielsweise die Textilveredelungsbetriebe Heinrich Habig AG in Herdecke und Göcke & Sohn AG in Hohenlimburg bei Hagen, die in der Ausstellung exemplarisch für ein Wirtschaftssystem stehen, das von kolonialen Machtverhältnissen profitierte.

Auf dem unteren Stoff aus den 1930ern sind Batterien der US-amerikanischen Firma Rayovac zu abgebildet. Die Einführung der „Leak Proof Batterie“ stand einerseits für technischen Fortschritt, war andererseits aber auch mit Brutalität und Ausbeutung bei der Gewinnung von Kautschuk verbunden, welcher für die Batterien benötigt wurde. (Foto: Rehrmann)

Die Ausstellung im Detail

Die Ausstellung beginnt mit einer Präsentation der Stoffe. In einer schlangenförmigen Vitrine sind African Prints drapiert, die in ihrer Vielfalt an Farben und Mustern den Blick sofort auf sich ziehen. QR-Codes bieten Zugang zu Audiomitschnitten, in denen die Kuratorinnen die vielseitigen Stoffmuster historisch einordnen.

Das Abbild von Elisabeth II auf dem Stoff rechts unten ist um 1955 entstanden, vermutlich anlässlich ihrer Krönung 1953. Herrschaftsbilder waren bei African Prints nicht unüblich. (Foto: Rehrmann)

Die weiteren Stationen der Ausstellung nehmen die Produktion, den Vertrieb und die Verwendung der Stoffe in den Blick. So werden zunächst die Firmengeschichten der Heinrich Habig AG und Göcke & Sohn AG anhand von Jubiläumsheften und Unternehmensdokumenten präsentiert, um auch die Selbstinszenierung der Firmen, als „fortschrittlich“ und gleichzeitig „traditionell“ zu zeigen, was sich auch in der Produktion und Vermarktung der African Prints widerspiegelt.

Im weiteren Ausstellungsbereich wird anhand von Firmenakten und Ausfuhrscheinen dokumentiert, mit welchen Akteur:innen in Afrika die westfälischen Firmen in Kontakt standen.

Im Abschnitt „Fotografische Spuren“ werden außerdem Reisefotografien aus den Firmenarchiven gezeigt. Als Gegengewicht zur westfälischen Perspektive, sind Bilder afrikanischer Fotograf:innen zu sehen, auf denen African Prints vorkommen. Sie zeigen auch, wie die Stoffe in Afrika künstlerisch und kulturell weiterentwickelt wurden.

Quilt Bomber Jacket der deutsch-nigerianischen Designerin Buki Akomolafe. (Foto: Rehrmann)

Der Abschnitt Kleidung und Gebrauch führt in die Gegenwart und präsentiert zeitgenössische Mode(n) mit African Prints wie beispielsweise die Designs von Buki Akomolafe.

Der Rundgang endet mit der Installation “Weaving Realities” von Sören Meffert, Calvin Hein und Kay Kwabia. Diese künstlerische Auseinandersetzung mit der Herstellung und dem Vertrieb von Batiken lädt die Besuchenden zur affirmativen Reflexion über das Dargestellte ein.

Fazit

Die Ausstellung „Muster und Märkte. Auf den Spuren westfälischer African Prints“ zeigt  eindrucksvoll, wie vielschichtig die Verflechtungen zwischen Europa und Afrika durch Handelswaren wie Textilien waren. Für Deutschland, speziell für Westfalen, zeigt sich auch, dass diese Handelsbeziehungen teilweise erst nach der Kolonialzeit institutionalisiert wurden und dass man noch ein halbes Jahrhundert später von den ungleichen Handelsbeziehungen profitierte. Damit ist die Geschichte aber nicht auserzählt: In der Ausstellung werden auch kulturelle Prozesse und Aneignungsmechanismen thematisiert und dabei sowohl historische als auch gegenwärtige Perspektiven berücksichtigt.

Ein Video-Interview mit einem ghanaischen Textilarbeiter gibt einen Einblick in die aktuellen Bedingungen der lokalen Textilindustrie und stellt die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. (Foto: Rehrmann)

Positiv hervorzuheben ist, dass mit schwierigen Ausstellungsobjekten sensibel umgegangen wurde, indem beispielsweise Fotos, die die abgebildeten Personen entmenschlichen, mit einem Vorhang bedeckt sind. Eine kleine Einführung in die Bildanalyse hilft außerdem zu verstehen, warum bestimmte Bilder koloniale Denkweisen widerspiegeln und warum sie deshalb nicht unkommentiert gezeigt werden sollten.

Die Ausstellung regt zum Nachdenken über die komplexen Auswirkungen kolonialer Handelsbeziehungen an und eröffnet gleichzeitig wertvolle Perspektiven auf die kulturellen und sozialen Prozesse, die mit African Prints verbunden sind.

Weitere Informationen: https://textilwerk.lwl.org/de/ausstellungen/muster-und-maerkte/