Wer heiraten will, muss „friggen“

03.09.2019

Für das Aufstellen braucht es Muskelkraft; Foto Emil Schoppmann.
Ein in Burgweinting aufgestellter Kindsbaum; Foto Emil Schoppmann.

Wer heiraten will, muss „friggen“

Vom „Friggepoal“ und anderen Hochzeitsbäumen

Emil Schoppmann

Kaum ein Fest ist so sehr mit Bräuchen verbunden, wie der Start in das Eheleben. Sie sollen das Paar vor Unheil schützen oder ihm Liebe, Treue, Gesundheit und Wohlstand bringen, teils betonen sie auch den Übergang in einen neuen sozialen Status und die damit verknüpften Erwartungen.

Vor allem im Süden Bayerns ist es üblich, zur Hochzeit einen „Kindsbaum“ aufzustellen. Der einem Maibaum ähnliche, blau-weiß gestrichene Holzstamm wird dabei mit Babywäsche, oder Spielzeug geschmückt. Oft ziert die Spitze ein Storch, der ebenfalls auf den ersehnten Kindersegen anspielt, welcher sich binnen eines Jahres einstellen soll. Bleibt der Nachwuchs aus, kommen die Aufsteller, bei denen es sich um Freunde und Bekannte handelt, nach Ablauf des Jahres wieder vorbei und lassen sich zu einer Brotzeit oder kleinen Feier einladen.

Ein beschriftetes Schild am unteren Ende des Baumes erinnert in Gedichtform an diese „Pflicht“.

Im Norden Deutschlands ist das Richten von „Kindsbäumen“ kaum verbreitet. Vielmehr haben sich hier andere Bräuche entwickelt, bei denen Bäume aufgerichtet werden. Etwa stellen im Rheinland unverheiratete Männer den Frauen als Liebesbeweis geschmückte Maibirken vor das Haus oder es werden zur Kinderkommunion bzw. zum Abitur Festbäumchen aufgestellt (Attendorn).

Der Friggepaol vor den Milter Dorflinden im Jahr 1990; Foto Max Brügge.

Eine besondere Variante des Hochzeitsbaumes ist im westfälischen Dorf Milte, im Krs. Warendorf, der sogenannte „Friggepoal“. Der Name leitet sich von dem plattdeutschen Wort „friggen“ ab, das so viel wie „Freien, den Hof machen“ bedeutet. Wahrscheinlich war der erste vor über 30 Jahren errichtete „Poal“ wohl eher als Scherz gedacht. Seither stellen die männlichen Freunde oder der Kegelclub des Bräutigams den massiven Holzpfahl ein paar Tage vor der Hochzeit im Blumenbeet einer zentral gelegenen Gaststätte auf. In der Regel handelt es sich um einen ehemaligen Telefonmast, an dem wie an einem Wegweiser untereinander Holzschilder angebracht sind. Auf diesen stehen die Namen der „Verflossenen“, also derjenigen Freundinnen oder auch Affären des Junggesellen, die er vor der Beziehung mit seiner Braut hatte. Ganz oben am Mast befindet sich ein Schild, z.B. in Form eines Herzes, mit den Namen der Brautleute oder lustigen Sprüchen.

Im Anschluss an das Friggepoahlsetzen findet dann das Häckselstreuen statt. Die Häcksel werden nicht nur vom Haus des Brautpaares bis zur Kirche gestreut, sondern auch vor die Haustüren der namentlich auf dem Pfahl stehenden Ex-Freundinnen, wenn sie im näheren Umkreis wohnen.

 

Für das Aufstellen braucht es Muskelkraft; Foto Emil Schoppmann.

Anders als der bayerische Kindsbaum, stellt der „Friggepaol“ nicht das Hochzeitspaar und die Erwartungen an seine Zukunft (Glück und viele Kinder) in den Vordergrund, sondern dokumentiert das Junggesellendasein des Bräutigams. Ob dies für ihn peinlich ist oder seine Attraktivität unterstreicht, mag von Fall zu Fall unterschiedlich empfunden werden. Spannend ist jedenfalls, dass dieser Brauch ausschließlich den Bräutigam ins Visier nimmt und seinem mehr oder weniger ausschweifenden Liebesleben ein weithin sichtbares Ende setzt.

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Schlagworte: Brauch · Emil Schoppmann