Der Pachtgruben-Bergbau nach dem 1. Weltkrieg auf dem Schafberg

05.08.2025 Peter Herschlein

Zu sehen ist das von einer Holzhütte eingefasste Stollenmundloch der Pachtgrube Johannes. Im Vordergrund sind die Schienen der Loren zu erkennen (Foto: Archiv Kultur- und Heimatverein Westerkappeln e. V.).

Peter Herschlein

Die Westerkappelner „Heimatbücher“ des Lehrers Friedrich Rohlmann (1889-1943) bieten einen umfangreichen Fundus an Dokumenten aus der Anfangszeit der Heimatbewegung im Tecklenburger Land. Zwischen 1922 und 1939 stellte Rohlmann für jedes Jahr ein dickes Album zusammen, in denen er fein säuberlich Zeitungsartikel, Eintrittskarten, Flyer und Fotografien sammelte. Auf diese Weise dokumentierte er eine Vielzahl von Veranstaltungen, Entwicklungen und Veränderungen in der Region. So auch auf dem Ostende des Schafberges bei Ibbenbüren. Der Schafberg bei Ibbenbüren spielte aufgrund seiner Rohstoffvorkommen für die wirtschaftliche Entwicklung der Gegend eine besondere Rolle. Neben Sand- und Tonstein sind vor allem verschiedene Erze und die Steinkohle zu nennen.

In den Heimatbüchern von Friedrich Rohlmann finden sich mehrere Fotografien, die sich dem Bergbau zuordnen lassen. Sie zeigen ein Stollenmundloch, einen Förderturm sowie die Belegschaft und Betriebsanlagen. Es sind Zeugnisse eines besonderen Kapitels der regionalen Bergbaugeschichte. Die Förderung von Steinkohle auf dem Ostende des Schafbergs bei Ibbenbüren lässt sich lange Zeit zurückverfolgen. Der älteste Nachweis stammt aus dem Jahre 1490 und bezeugt, dass schon damals auf dem „Kappelschen Kohlberg“ Steinkohle gefördert wurde, die man als Brennmaterial nach Osnabrück lieferte. Jedoch war der Kohleabbau auf diesem Gebiet im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zunächst eingestellt worden. Wie Zeitungsberichte aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts bezeugen, ging man zunächst davon aus, dass der Bergbau hier nun „für ewige Zeiten“ ruhen würde.

 

Die Tagesanlagen der Gewerkschaft „Concordia“, im Hintergrund ist der neu errichtete Förderturm über dem Morgensternschacht zu erkennen (Foto: Archiv Kultur- und Heimatverein Westerkappeln e. V.).

Doch mit dem Ersten Weltkrieg änderte sich die Situation. Durch Gebietsverluste und Reparationsleistungen kam es zu Beginn der 1920er Jahren zu einer „Kohlennot“ in Deutschland. Neben der Industrie war auch ein großer Anteil der Bevölkerung direkt von der Knappheit betroffen, denn viele Wohnungen wurden noch mit Steinkohle geheizt. Die große Knappheit an Steinkohle war Grund für einige Personen und Firmen im Raum Ibbenbüren selbst aktiv zu werden. Man begann nach Stellen zu suchen, an denen ein Abbau von Steinkohle mit relativ einfachen Mitteln möglich erschien. Auf diese Weise entwickelte sich schnell eine Anzahl von kleinen Abbaubetrieben. Der Abbau von Kohle lag jedoch in der Hand des Staatsbergwerks. Dieses ermöglichte den privaten Abbau, indem parzellenartige Grubenfelder verpachtet wurden. Bis Anfang der 1920er Jahre entwickelten sich so über 100 kleine Betriebe, welche schnell wuchsen und in Belegschaft und Fördermenge sogar das Staatsbergwerk übertrafen.

Die Fotografien in den „Heimatbüchern“ von Friedrich Rohlmann dokumentieren zwei dieser Betriebe, die auf dem Gebiet der Gemeinde Westerkappeln entstanden waren. Einer davon war die Pachtgrube Johannes, welche von 1920 bis 1923 aktiv war. Die dazugehörigen Grubenfelder waren von dem Bergmann Carl Hölscher aus Mettingen und den Mühlenbesitzer Künnenmeyer aus Westerkappeln gepachtet worden. Auf dem Betrieb waren bis zu 120 Leute beschäftigt gewesen.

Ein Teil der Belegschaft der Gewerkschaft „Concordia“, welche den alten Morgensternschacht wieder zur Kohleförderung öffnete (Foto: Archiv Kultur- und Heimatverein Westerkappeln e. V.)

In der Nachbarschaft der Pachtgrube Johannes wurde ab 1923 die Gewerkschaft „Concordia“ aktiv. Diese wurde durch eine Reihe von Unternehmen aus der Region, Hannover und Essen gebildet. Für die Kohleförderung hatte man den alten Morgensternschacht wieder geöffnet und darauf ein eisernes Fördergerüst errichtet. Die geförderte Kohle wurde zum Teil per Landabsatz verkauft, also direkt an Händler oder Verbraucher veräußert. Die Kohle welche über die Bahn transportiert werden sollte wurde über eine 3,5 Kilometer lange Stahlseilbahn bis zum Bahnhof Ibbenbüren-Laggenbeck befördert. Mit bis zu 300 beschäftigten Personen war die Gewerkschaft „Concordia“ das zweitgrößte Pachtunternehmen im Raum Ibbenbüren und blieb bis 1928 bestehen.

Die Blütezeit der Pachtgruben hielt jedoch nur für kurze Zeit an. Veränderte Rahmenbedingungen wie Inflation und niedrigere Preise für Steinkohle aber auch ausgeschöpfte oberflächennahe Kohlevorkommen führten dazu, dass die meisten Pachtbetriebe nur wenige Jahre aktiv waren. In den 1930er Jahren waren nur noch fünf Betriebe aktiv. Die letzte Pachtgrube wurde 1945 geschlossen.

Das ehemalige Staatsbergwerk Ibbenbüren ging 1924 an die „Preussag“ über. 1999 wurde das Bergwerk durch den RAG-Konzern übernommen und zunächst unter dem Namen „DSK Anthrazit Ibbenbüren GmbH“ betrieben. 2008 erfolgte die Umbenennung in „RAG Anthrazit Ibbenbüren GmbH“. Mit dessen Schließung im Jahr 2018 wurde der Steinkohlenbergbau in der Region endgültig beendet.  

 

Fotografie der Verladestation der Kohlengrube Johannes. Das Foto vermittelt einen guten Eindruck von den oft recht einfachen Verhältnissen der Kohlengruben (Foto: Archiv Kultur- und Heimatverein Westerkappeln e. V.)

Literatur und Quellen:

Herschlein, Peter: Verborgene Bergbau-Relikte rund um den Schafberg. Viele Rohstoffe auf engstem Raum dank geologischer Besonderheiten. In: Kreis Steinfurt (Hg.): Wir werden 50! Jubiläumsjahrbuch für den Kreis Steinfurt (Steinfurt 2025), S. 238-242.

Rickelmann, Hubert & Röhrs, Hans: Der Ibbenbürener Steinkohlenbergbau von den Anfängen bis zur Gegenwart (Paderborn 1983).

Röhrs, Hans: Ibbenbürener Kleinzechen und wilde Pütts (Ibbenbüren 2009).

Römhild, Georg: Der Schafberg im Tecklenburger Land. Bilder, Spuren und Denkmale einer westfälischen Bergbaulandschaft. Anleitungen zur Landschaftserkundung und Spurensuche. (Ibbenbüren 1991).

 

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