Das Lengericher Schützenwesen in der Weimarer Republik (Teil 1)

31.10.2025 Niklas Regenbrecht

Bernd Hammerschmidt

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Schützen in Lengerich im Kreis Tecklenburg in zahlreichen Vereinen organisiert. In der Stadt gab es die Bürgerschützen Lengerich von 1835 (1985 umbenannt in Bürgerschützen Lengerich von 1810) und den Schützenverein Lengerich-Stadt von 1893 und in Hohne existierten seit 1921 vier verschiedene Schützenvereine (Hohne, Hohne-Niedermark, der Allgemeine Schützenverein Hohne und seit 1921 der Schützenverein Hohne-Ost). In der damaligen Landgemeinde Lengerich hatte jede Bauerschaft ihren eigenen Schützenverein (Aldrup, Antrup, Intrup, Ringel, Schollbruch, Settel, Vortlage-Niederlengerich, Wechte).

„Mitglieder des Schützenvereins Wechte 1901.“ Quelle: Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 0000.41017.

Der erste Weltkrieg brachte überall das Vereinsleben zum Stillstand, da viele Schützenbrüder als Soldaten kämpften. Nach der Wiederaufnahme der alten Aktivitäten im Sommer 1919 verlief das Leben in den Lengericher Schützenvereinen überwiegend in den althergebrachten Bahnen. Üblicherweise fand im zeitigen Frühjahr eine Generalversammlung statt, in der gemäß den Vereinssatzungen die Kassenlage, die Wahl des Vorstandes und die Planung der Feste im Laufe des Jahres im Mittelpunkt standen. Der Höhepunkt im Vereinsleben, das sommerliche Schützenfest, beinhaltete traditionell die Totenehrung, das Königsschießen sowie Tanz und Geselligkeit.

Ein wesentlicher Bestandteil des Schützenfestes war die Festrede, die entweder im Festzelt oder im Rahmen der Totenehrung gehalten wurde. Der folgenden Analyse liegen neun Reden aus den Jahren 1921 bis 1930 zugrunde. Über die Redner lässt sich dies sagen: es waren in der Regel Männer, die entweder wegen ihres Berufs (Lehrer, Gutsbesitzer) oder aus anderen Gründen als für fähig gehalten wurden, in der (Vereins)Öffentlichkeit eine Rede zu halten.

In den 1920er Jahren feierten mehrere Schützenvereine in Lengerich ein Jubiläum: der SV Intrup-Niederlengerich wurde 30 Jahre alt (1921); der SV Hohne bestand 1926 seit 40 Jahren und die beiden Schützenvereine in Ringel und Settel feierten 1929 bzw. 1930 ihr 25-jähriges Bestehen. Diese Jubiläen boten Anlass zu der Frage, welche gesellschaftliche Rolle die Schützenvereine spielen sollten. Interessant: die Ausführungen zu dieser Frage beinhalteten immer ein Bekenntnis zum Vaterland.

Zentrale Themen sprach schon am 5. Juni 1921 der Lehrer Wilhelm Schürmann beim Intruper Schützenfest an. Er hob zunächst die Notwendigkeit des Zusammenhalts, der Kameradschaft innerhalb des Vereins hervor. Anders als in der allgemeinen Gesellschaft sollten unter den Schützen „Klassenhaß und Klassengegensätze“ überwunden werden; nur so könne man mitwirken an der „Rettung des Vaterlandes, an der sittlichen Genesung unseres Volkes.“ Ähnliche kulturpessimistische und nationalkonservative Worte benutzte Hauptlehrer Hunsche am 6. Juni 1926 in Hohne; als Werte des Schützenvereins bezeichnete er „Pflege der Vaterlandsliebe, die Treue zum Reich, die Begeisterung für alles Schöne und Gute und der lauteren Freundschaft [sic!].“ Andere Redner werden später diesen Gedanken durch die Begriffe „Eintracht“ oder „Einigkeit“ ausdrücken.

„Einladung zum Deutschen Abend am 25.1.1923.“ Quelle: Bernd Hammerschmidt.

In einer anderen Ansprache, die Schürmann am 25. Januar 1923 im Rahmen eines „Deutschen Abends“ bei den Bürgerschützen hielt, bekräftigte er das Gesagte durch zwei Zeilen aus dem Deutschlandlied von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 – 1874), das seit der Verfügung von Reichspräsident Ebert vom 10. August 1922 der Text der Nationalhymne war.

„Einigkeit und Recht und Freiheit, für das deutsche Vaterland,

danach laßt uns alle streben, brüderlich mit Herz und Hand.“

Hinter dem Ruf nach Zusammenhalt stand zweifellos die Erfahrung einer in sich gespaltenen Gesellschaft. Nach den ersten schwierigen Jahren der neuen Republik sehnten sich viele Menschen nach der Ordnung der Kaiserzeit zurück; andere setzten ihre Hoffnung auf eine demokratische Erneuerung und mehr Mitbestimmung. Wirtschaftliche Schwierigkeiten nach dem verlorenen Krieg erschütterten das Vertrauen in die Regierung und bestärkten die politischen Ränder.

Die enge Verbindung von Schützenwesen und Treue zum Vaterland sah Schürmann in seiner ersten Rede auch als Argument, Schützenvereine von den damals entstehenden „Vergnügungsvereinen“ abzugrenzen. Diese Abgrenzung scheint notwendig gewesen zu sein, wie eine Bemerkung Friedrich Rohlmanns, des Kreisheimatpflegers aus Velpe, im Heimatjahrbuch des Kreises Tecklenburg 1926 erahnen lässt:

„Es ist bedauerlich, daß so oft wahre Freude nicht entfesselt wird, sondern sich im Festtrubel nur hohles Vergnügen im Banne des Alkohols entfaltet.“ (Rohlmann, 1926, S. 13)

Auch Wilhelm Hunsche, der als Hauptlehrer der Volksschule Hohne II beim Jubiläum des Hohner Schützenvereins sprach, grenzte Schützenvereine von Vergnügungsvereinen ab. Zwar sei die Landesverteidigung nicht mehr zentrale Aufgabe für die Schützen, aber den Schießsport, „den edelsten Sport eines freien Mannes,“ sollten sie weiter ausüben.

 

Quellen:

Lengericher Zeitung 1921-1930.

Rohlmann, Friedrich: Das Schützenwesen im Kreise Tecklenburg, in: Heimatjahrbuch des Kreises Tecklenburg 1926, Lengerich 1926.