Emil Priebe erhält zum Jahreswechsel vier „Blaue“

05.01.2021 Dorothee Jahnke

Ausfertigungsdatum der „Blauer“ genannten 100-Mark-Banknote, die diese Neujahrskarte ziert, ist der 1. Mai 1891. Mit einem Wert von 100 Mark war der „Blaue“ bis zum Ersten Weltkrieg die kleinste Banknote, die von der Reichsbank ausgegeben wurde. Foto: Christiane Cantauw, KAF.

Christiane Cantauw

Im Archiv für Alltagskultur befindet sich ein größerer Bestand an Ansichtskarten. Unter den etwa 15.000 Exemplaren bilden Urlaubspostkarten und Glückwunschkarten die zahlenmäßig größten Gruppen.

Sieht man sich unter den Glückwunsch- die Neujahrskarten aus der Sammlung näher an, dann sticht eine Karte aus dem Jahr 1896 besonders hervor. Es handelt sich – so ein Aufdruck auf der Bildseite – um einen „Herzlichen Glückwunsch zum Jahreswechsel“. Diese Textnachricht ist in Anlehnung an ein aufgerolltes Lotterielos gestaltet, das auf vier 100-Mark-Scheinen liegt. Ihr handschriftlich zugefügt wurde: „... sendet dir dein Wilh Wiechert“. Oberhalb findet sich noch die Kurznachricht: „Brief folgt von Frankfurt“. Adressat dieser Karte war – so ist der Adressseite zu entnehmen – Emil Priebe, der seinerzeit in der Firma Mühlenfeld Sattlerwaren in Barmen beschäftigt war.

Gelaufen ist die Karte laut Poststempel am 31.12.1896. Postkarten waren zu dieser Zeit noch ein verhältnismäßig neues Medium. Im Norddeutschen Bund waren sie seit dem 25. Juni 1870 im Postverkehr zugelassen. Weil die Adresse eine komplette Seite der Karte einzunehmen hatte, mussten sich die bildliche Gestaltung und die Textnachricht bis 1905 die andere Seite teilen. Die AbsenderInnen schrieben dementsprechend um die Bilder herum, in sie hinein oder auch darüber.

Bei der auf der Neujahrskarte an Emil Priebe abgebildeten Banknote handelt es sich um einen landläufig als „Blauer“ bezeichneten Hundert-Mark-Schein der Reichsbank. Diese erste deutsche Zentralnotenbank, mit Gesetz vom 14. März 1875 verordnet, nahm am 1. Januar 1876 ihre Geschäfte auf und brachte zu diesem Datum die 100-Mark-Banknote in Umlauf. Die Bezeichnung „Blauer“ geht auf ihre blaue Grundfarbe zurück. Neben den 100-Mark-Scheinen wurden sofort auch 1000-Mark-Scheine in brauner Farbe gedruckt. Sie wurden dementsprechend "Brauner" genannt. Beide Geldscheine wurden zunächst mit den Platten der preußischen Noten hergestellt, nur den Text passte man den neuen Gegebenheiten an. Ab 1883 kam dann Papiergeld mit eigenen Notenbildern der Reichsbank in Umlauf.

Außer dem Notenwert sind der auf der Neujahrskarte abgedruckten Vorderseite der Banknote der Strafsatz, die Notennummer und die Unterschriften dreier Mitglieder des Reichbankdirektoriums (Hartung, Frommer, Müller) zu entnehmen. Ausstellungsort und -datum sowie das Zahlungsversprechen werden von der Glückwunschnotiz verdeckt. Die aufwändig gestalteten Kapitelle sowie einer der beiden Notenbankstempel und das Wasserzeichen sind in Teilen zu erkennen und sorgen für eine der Originalbanknote entsprechende Anmutung.

Auf einer ebenfalls an Emil Priebe versandten Weihnachtskarte aus dem Verlag Fritz Grandt, Berlin, die laut Poststempel am 23.12.1898 gelaufen ist, findet sich auf der geteilten Rückseite das s/w-Bild einer Frau mit einem Tannenzweig in Händen vor der Kulisse einer Stadt. Ein auf der linken Seite abgedrucktes sechszeiliges Gedicht erzählt von einem Weihnachtsengel, der „Fried' auf Erd' und Wohlgefallen“ bringe. Aus dem Text erfahren wir, dass eine Clara aus Soest Emil, der im 5. Infanterie- Regiment Graf Barfuß in Mörchingen, Lothringen, zum Musketier ausgebildet wurde, herzliche Weihnachtsgrüße entrichtet und ihm fröhliche Weihnachtstage wünscht. Foto: Christiane Cantauw, KAF.

Ähnlich wie bei den zahlreichen Lotterien, die zum Jahresende hin in den Zeitungen ihre Lose bewarben, werden auf der Neujahrskarte an Emil Priebe Glück und Geld ganz unverblümt und direkt miteinander verbunden. Nicht der Glückspfennig, sondern vier über einander liegende „Blaue“  symbolisieren die Wünsche des Absenders, der mit dieser Neujahrskarte einem Trend folgte, der um die Wende zum 20. Jahrhundert bereits viele AnhängerInnen gefunden hatte. Anstelle der Visitenkarten und Grußbillets, die man an den Haustüren abgab, um sich für das kommende Jahr in Erinnerung zu bringen, verschickten viele Menschen nun Neujahrskarten – nicht nur an Geschäftspartner, sondern auch an Verwandte und Bekannte, Freunde und Kameraden. Auf diese Weise ließen sich Geschäftsbeziehungen oder soziale Kontakte auch über größere Entfernungen hinweg pflegen.