Yannick Rüskamp
Eiserkuchen wie der Abgebildete mögen den Leser:innen unseres Blogs geläufig sein. Vielleicht weckt die Fotografie sogar bei einigen von ihnen Erinnerungen an den gemeinsamen Verzehr des Gebäcks am Jahresende.
Das wäre nicht weiter ungewöhnlich, denn auch, wenn sie aktuell an Präsenz verloren haben, so gehörten Eiserkuchen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein zu denjenigen Gebäcken, ohne die der Jahreswechsel im Münsterland nicht denkbar war. Das war vor einiger Zeit schon einmal Thema in diesem Blog. Entsprechend der traditionell dominanten Rolle des Gebäcks ist es wenig überraschend, dass Eiserkuchen in den Gewährsleuteberichten des damaligen Archivs für westfälische Volkskunde als ein festes Element der jahreszeitlichen Gebäckproduktion und als Beleg für eine regionale Besonderheit beschrieben werden. In den Antwortmanuskripten zur Frageliste Nr. 25 (Advents- und Weihnachtsbrauchtum) finden sich ausführliche Schilderungen zur Teigherstellung und zur Zubereitung am Herdfeuer, aber auch zur Bewirtung von Gästen mit Eiserkuchen und zum gemeinsamen Verzehr.
Eiserkuchen wurden traditionell mit schmiedeeisernen Zangeneisen über dem offenen Feuer gebacken. Dabei spielten auch die Ornamente und Bilder eine Rolle, die von den Zangeneisen auf das Backwerk übertragen wurden.
Unter dem Aspekt der Ikonographie ist der oben abgebildete Eiserkuchen allerdings eher uninteressant, weil die Motive darauf heute auch bei handelsüblichen elektrischen Waffeleisen zu finden sind. Wenn man aber weiß, dass nicht ein Foto von ihm, sondern der Eiserkuchen selbst in der Sammlung aufbewahrt wurde und wird, dann ergeben sich eine Reihe von Fragen: Wie es kommt, dass das vorliegende Exemplar nicht aufgegessen oder entsorgt, sondern vakuumiert und aufgehoben wurde? Warum und wozu wird ein Eiserkuchen in einer Sammlung zur Alltagskultur aufbewahrt?
Tatsächlich befindet sich der besagte Eiserkuchen seit nunmehr 65 Jahren in einem Stahlschrank im Magazin 5 im Untergeschoss des Archivs für Alltagskultur. Er trägt die Inventarnummer Sg1982. Abgesehen von einem Bruch an einer der Sollbruchstellen ist er gut erhalten.