Kein Gärtnern ohne Sämereien

20.03.2020

Das Wunder in der kleinen Papiertüte - Saatgut aus Bevergern. Foto: Heimatverein Bevergern.

Kein Gärtnern ohne Sämereien

Heimatmuseum Bevergern bekommt eine Samenstube

Andreas Eiynck

 

Bis in die 1970er-Jahre hatten die meisten Familien in Deutschland einen Gemüsegarten, in dem sie einen Teil ihrer Nahrungsmittel selber produzierten. Hierzu waren nicht nur Kenntnisse und Fähigkeiten im Gartenbau vonnöten, sondern auch Sämereien als Grundlage der Pflanzenzucht. Diese konnten in jedem Frühjahr, in kleine Papiertüten verpackt, auf Wochenmärkten, in Gärtnereien oder im Landhandel erworben werden. Doch woher stammten die Samentüten mit dem körnigen Inhalt?

Einen großen Teil des Sämereibedarfes im Münsterland lieferte der kleine Ort Bevergern im Tecklenburger Land. Als der mittelalterliche Amtssitz mit eigenen Stadtrechten und einer mächtigen Landesburg nach dem Dreißigjährigen Krieg zu einem Ackerbürgerstädtchen abstieg und in Armut versank, spezialisierten sich einige Bürger auf den Gartenbau und insbesondere auf die Produktion von Sämereien. Dieser Erwerbszweig brachte Arbeitsmöglichkeiten für die vielen armen und unterbeschäftigten Einwohner von Bevergern, die nun mit dem Anzüchten, Ernten, Reinigen, Abwiegen, Eintüten, Verpacken und Beschriften der Sämereien ein bescheidenes Einkommen erzielen konnten. In vielen Häusern hatte man hierzu eine besondere Samenstube eingerichtet, in der die empfindliche Ware den Winter über verarbeitet wurde. In jedem Frühjahr schwärmten die „Bevergerner Samenkerls“ dann in das Münsterland, ins Osnabrück‘sche und ins Emsland aus, um dort auf Märkten und bei Stammkunden ihre Ware an den Mann zu bringen.

Auf dem Höhepunkt dieses Wirtschaftszweiges gab es in dem kleinen Ort Bevergern 18 Gärtnereien und Samenhandlungen. Die letzte authentisch eingerichtete Samenstube fand jetzt ihren Weg in das Heimatmuseum Bevergern. Julius Pelzer, Malermeister, Restaurator und Bevergerner Urgestein, hat die Geschichte von Gartenbau und Samenhandel in etlichen Sammelordnern umfassend dokumentiert. Die Einrichtung der Samenstube wurde unter anderem von der NRW-Stiftung und dem LWL Museumsamt unterstützt.

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Schlagworte: Andreas Eiynck · Nahrung