Universität Münster erforscht nun koloniales Erbe vom Dachboden aus Westfalen-Lippe

07.10.2022 Peter Herschlein

Frau B. aus dem nördlichen Ruhrgebiet fand diese Bücher im Bücherschrank ihres verstorbenen Vaters. (Foto: Cantauw)

Christiane Cantauw

Mit dem Aufruf „Koloniales Erbe vom Dachboden: angeschaut und nachgefragt“ haben die Kommission Alltagskulturforschung des LWL und der Westfälische Heimatbund im Frühjahr 2022 um Zusendungen und Rückmeldungen gebeten. Interessierte aus allen Regionen Westfalens haben ihre Keller, Dachböden und Abstellkammern daraufhin durchforstet und ethnografische Objekte, alte Bücher, Fotografien oder Briefe gefunden, die mit der kolonialen Vergangenheit Deutschlands zu tun haben könnten.

Im Wintersemester startet nun ein Seminar für Bachelor- und Master-Studierende der Kulturanthropologie an der Universität Münster, in dem sich die Studierenden und die Lehrenden diese Dinge gemeinsam mit den Leihgeber:innen einmal näher ansehen wollen. Ganz unterschiedliche Themen werden hier eine Rolle spielen: Da geht es beispielsweise um die Provenienz, also die verschiedenen Wege, auf denen ein Objekt in einen Haushalt in Westfalen gelangt ist und dort über viele Jahre hinweg aufbewahrt wurde: Wer hat die kleine Holzskulptur eines Mädchens einst in Afrika gekauft, und wo genau? Wie wurde sie aufbewahrt, an wen vererbt oder verschenkt? Wer hat die vielen Briefe der Missionsschwester Christina gesammelt und mehr als 100 Jahre lang aufbewahrt? Was haben Soldaten, Kolonialbeamte, Missionare aus den Kolonien oder auch später touristisch Reisende mit nach Hause gebracht, und auf welch verschlungenen Wegen ist es auf den Dachboden eines westfälischen Einfamilienhauses gelangt? All das sind spannende Forschungsfragen, mit denen sich die Studierenden unter der Leitung von Christiane Cantauw und Dörthe Gruttmann von der Kommission Alltagskulturforschung beschäftigen werden. Außerdem interessieren wir uns auch für die Geschichte der einzelnen Objekte, für die damit verbundenen persönlichen und familiären Erinnerungen, und dafür, wie und von wem sie hergestellt wurden, was sie für wen repräsentierten und vielleicht immer noch repräsentieren.

Zum Semesterauftakt besuchen wir mit den Studierenden ein Werkstattgespräch im LWL-Freilichtmuseum Hagen. Bei dieser Veranstaltung am 27. Oktober 2022 wird die Perspektive erweitert um das Thema: Woher und wohin? Rohstoffe, Materialen und Produkte von Handwerks- und Gewerbebetrieben im Kontext kolonialer und postkolonialer Strukturen.

 

Falls Sie Objekte aus Ihrem Privatbesitz zur Verfügung stellen möchten, kontaktieren Sie bitte die Leiterinnen der Lehrforschungsveranstaltung oder den Westfälischen Heimatbund:

Christiane Cantauw (christiane.cantauw@lwl.org)

Dr. Silke Eilers (silke.eilers@whb.nrw)

Dörthe Gruttmann (doerthe.gruttmann@lwl.org)

Kategorie: Aus der Uni

Schlagworte: Christiane Cantauw · Kolonialismus