Mythos Immenhof – Eine Ausstellung des Literaturmuseums Haus Nottbeck

19.10.2021 Niklas Regenbrecht

Ausstellung Mythos Immenhof, Foto: Cantauw.

Christiane Cantauw

Angela, Dick und Dalli, Oma Jantzen, Ethelbert, die Ponys und ihre Fohlen dürften vor allem dem älteren Kinopublikum noch gut in Erinnerung sein: In den 1950er Jahren erzielte die deutsche Heimatfilmtrilogie um den Ponyhof Immenhof jedenfalls erkleckliche Erlöse an den Kinokassen. In den Hauptrollen waren Heidi Brühl und Angelika Meissner(-Voelkner) als Dalli und Dick zu sehen. Regie führten Wolfgang Schleif (Die Mädels vom Immenhof, 1955), Volker von Collande (Hochzeit auf Immenhof, 1956) und Hermann Leitner (Ferien auf Immenhof, 1957).

Ausstellung Mythos Immenhof, Foto: Cantauw.

Die literarische Vorlage zu den Immenhof-Filmen stammt von der westfälischen Autorin Ursula Bruns (sie stammt aus Bocholt), der aktuell eine kleine, feine Ausstellung im Gartenhaus des Literaturmuseums Kulturgut Haus Nottbeck gewidmet ist. Ein auf dem Boden aufgemalter Reitparcours und Futterkrippen mit „Lesefutter“ aus der Feder von Ursula Bruns deuten bereits an, worauf sich die Besucher:innen der Ausstellung einzustellen haben: Hier geht es zum großen Teil um Ponys, Pferde und alles, was mit dem Reitsport und der Haltung dieser Tiere zusammenhängt. Dass Ursula Bruns sich auf diesem Gebiet fernab von Heimatfilm-Klischees einen Namen gemacht hat, mag manch einer/einem neu sein. In der Tat hat sich die Autorin in den 1950er bis 1970er Jahren als Sachbuchautorin vehement für modernere Standards in der Pferde- und Ponyhaltung wie z.B. für die Offenställe oder einen pferdegerechten Reitunterricht eingesetzt. Auch in den von ihr gegründeten Zeitschriften (Pony-Post, Freizeit im Sattel) hat Ursula Bruns stets dafür geworben, die Reittiere nicht als (Investitions-)Objekte, sondern als Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen zu sehen.

Ausstellung Mythos Immenhof, Foto: Cantauw.

Ursula Bruns hat sich übrigens nicht nur als Jugend- und Sachbuchautorin einen Namen gemacht. Die studierte Kunsthistorikerin und Germanistin war auch eine bekannte Übersetzerin (beispielsweise von Oscar Wilde: Das Gespenst von Canterville). Und sie hat auch einen Abstecher in die Reiseschriftstellerei unternommen: Über eine Reise nach Ägypten schrieb sie das Buch „Echtes Gold und falsche Steine. Eine Frau reist durch Ägypten“ (Gütersloh 1960), das spannende Einblicke in eine Fernreise vor den Zeiten des Massentourismus gibt.

Ausstellung Mythos Immenhof, Foto: Cantauw.

Jugendbücher wie „Dick und Dalli und die Ponies. Die Geschichte zweier handfester Mädchen und eines Jungen, aus dem auch noch etwas wurde“, das es auf insgesamt 30. Auflagen brachte, dienten Ursula Bruns nicht zuletzt dazu, ihre Vorstellungen von Pony-/Pferdezucht und -haltung zu popularisieren. In der Filmtrilogie rund um den Immenhof fanden die Regisseure die richtigen Bilder, um das Pony-Thema publikumswirksam mit einem konservativ-positiven Lebensgefühl der 1950er Jahre anzureichern. Das lässt sich anhand einiger Filmschnipsel, die in der Ausstellung gezeigt werden, gut nachvollziehen.

Zum Mythos Immenhof gehören ein konservativer Wertekosmos (Freundschaft, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Pünktlichkeit) ebenso wie das Ausblenden allzu konfliktbehafteter bundesrepublikanischer Wirklichkeiten (Halbstarkenproteste, Aufarbeitung der NS-Zeit, Bildungsmisere und vieles mehr). Zum Mythos Immenhof zählen aber auch Landschaftsbilder, die zu Sehnsuchtsorten geworden sind und den Tourismus in Schleswig-Holstein angekurbelt haben. Darauf, dass dies bis heute tragen möge, baut jedenfalls ein auf dem „Immenhof“ (Gut Rothensande, Malente) kürzlich eröffnetes Hotel.

Ausstellung Mythos Immenhof, Foto: Cantauw.

Wer mehr über und von Ursula Bruns lesen möchte, dem sei das von Museumsleiter Walter Gödden zusammengestellte Ursula-Bruns-Lesebuch wärmstens empfohlen, das auf 153 Seiten wichtige Texte der Autorin vereint.

Die Ausstellung „Mythos Immenhof“ ist Teil des Projekts „Fräulein Nette unterwegs“ (Kooperationsprojekt des Literaturmuseums gemeinsam mit dem Center for Literature – Burg Hülshoff). Sie ist noch bis zum 14. November 2021 im Gartenhaus des Literaturmuseums Kulturgut Haus Nottbeck in Oelde zu sehen. Der Eintritt ist frei.