Papp- und Klappkrippe mit Kuchen, Kaninchen und Elefant

13.12.2022 Niklas Regenbrecht

Klappkrippe Vojtěch Kubašta: Vánocní Betlém, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, K03174.0000.

Niklas Regenbrecht

Krippen gehören für viele Menschen zur Weihnachtszeit wie Weihnachtsbaum und Adventskranz. Es gibt sie in den unterschiedlichsten Größen, Materialien, Qualitäten und Macharten. Von lebendigen Krippen über lebensgroßes Figuren, von kindlichen Bastelarbeiten zu kunstfertigen Holzschnitzereien, von Kastenkrippen bis hin zu winzigen Miniaturdarstellungen, um nur wenige Beispiele zu nennen. Ganz zu schweigen von zahlreichen regionalen Ausprägungen und Kunststilen. Rund um das Thema Krippen besteht ein ausgeprägtes Vereinswesen, es existieren spezialisierte Museen und eigene Zeitschriften. In der Weihnachtszeit findet man Krippen im öffentlichen Raum, in Kirchen und privaten Haushalten. Die Popularität von Weihnachtskrippen mag damit zusammenhängen, dass durch sie die Weihnachtsgeschichte in eine bildliche Form, in eine für jeden leicht zu erfassende szenische Darstellung gebracht wird. Das Leben Jesu bildlich erfahrbar zu machen, war historisch betrachtet auch ein Grund für die Aufstellung von Krippen gewesen, die seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Umfeld der Gegenreformation und der geistlichen Orden, vor allem der Jesuiten, belegt werden kann.

Im zwanzigsten Jahrhundert gehörten Krippen in Kirche und Privathäusern bereits fest zum weihnachtlichen Bildprogramm. Wohl aus diesem Bewusstsein heraus wurden beispielsweise in den Weltkriegen zusammenfaltbare Papierkrippen an die Soldaten an der Front geschickt, um bei Weihnachtsfeiern im Feld den Versuch zu unternehmen, so etwas wie Weihnachtsatmosphäre zu schaffen. Krippen aus Papier und Pappe zum Aufklappen und Aufstellen waren seit dem Ende des 19. Jahrhunderts anhaltend populär.

Auch die vorliegende Krippe mag man auf den ersten Blick zunächst in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts einordnen. Bei der Gestaltung könnte man an eine Darstellung aus den 1930er Jahren denken. Durch den Klappmechanismus lässt sich die Krippe auf ein handliches Briefformat zusammenfalten. Aufgebaut hat sie Ausmaße von 18x46 Zentimetern. Die vier Pappelemente werden in einander gesteckt und können so eine dreidimensionale Anmutung entfalten.

Detail der Krippe: Die Heiligen Drei Könige mit Kamel und Elefant.

Das Bildprogramm ist mit exotisch und orientalisch anmutenden Elementen versetzt. Die Szenerie ist eingebettet in einen Palmenwald, gleichwohl am Boden geschlagene Baumstämme zu erkennen sind, die nicht von Plamen stammen. Das klassische Tierensemble von Ochse, Esel und Schafen ist erweitert um drei Hunde, zwei Ziegen, einen Elefanten und ein Kamel sowie ein Kaninchen. Zwei der drei Heiligen Könige sind mit orientalisierenden Kopfbedeckungen gezeichnet, sie werden begleitet von einem ebenso dargestellten Kamelführer, dem Kamel selbst und dem geschmückten Elefanten.

Detail der Krippe: Gabenbringer mit Kuchen, Amphore und erlegtem Wild.

Die vornehmlich auf der linken Seite dargestellten Personen hingegen muten griechisch an und scheinen aus einer weiß getünchten Stadt im Hintergrund herbeizukommen. Sie sind nicht nur als Hirten zu interpretieren, sondern fungieren als weitere Gabenbringer. Sie bringen etwa einen Obstkorb, Kuchen, eine Amphore und erlegtes Wild.

Die Darstellung der Heiligen Familie folgt mitteleuropäischen Darstellungen, der Stall ist jedoch gemauert und wird von einem Engel mit Spruchband „Gloria in excelsis deo“ bekrönt. Der Gottessohn sitzt auf dem Stroh, als säße er auf einem Thron. Um den Stall herum gesellt sich eine Gruppe von Kindern, Flöte spielend, betend oder jubilierend. Der Seitenaufsteller mit den zwei Engelchen steht der exotisierenden Darstellung gegenüber, er ist mit einem geschmückten Weihnachtsbaum in Tannenform ausgestattet.

Detail der Krippe: Trägerin eines Obstkorbes; unten links die Signatur des Gestalters Kubasta.

Am linken Rand des Hauptelements lässt sich die Signatur des Gestalters entziffern: „V. Kubasta“. Diese lässt sich als Vojtěch Kubašta auflösen. Kubašta wurde 1914 in Wien geboren und wuchs in Prag auf, wo er ab 1933 Architektur studierte. Tätig wurde er jedoch als Werbegrafiker und Buchgestalter. Er entwickelte und arbeitete mit so genannten Pop-up-Elementen, die er für Klappkarten oder Kinderbücher, vor allem Märchenbücher, verwendete. Durch Aufklappen etwa einer Grußkarte oder Umblättern einer Buchseite entfaltet sich ein dreidimensional anmutender Effekt. Seit den 1950er Jahren wurden die Werke Kubaštas in Ausstellungen in der Tschechoslowakei gezeigt, seit den 1960er Jahren wurden seine Arbeiten auch jenseits des Eisernen Vorhangs exportiert. Kubašta starb 1992 in Prag.

Kubašta gestaltete und entwickelte über einen gewissen Zeitraum jährlich eine Krippendarstellung, insgesamt soll es sich um 15 bis 17 verschiedene Werke handeln. Die hier vorliegende Krippe ist eine davon und wird einem Ausstellungskatalog zufolge auf das Jahr 1990 datiert (Findlay / Rubin 2005, S. 34, 104). Die Gestaltung beruht aber wohl auf einem Entwurf von 1968. Sie wurde unter dem Namen „Vánocní Betlém“, tschechisch für Weihnachtskrippe, von dem Prager Verlag Gamon vertrieben.

Detail der Krippe: Hirtendarstellung am rechten Bildrand.

Klappkrippen aus Papier sind gewissermaßen eine Sparversion oder mobile Variante der Weihnachtskrippe. Gleichwohl beweisen sie bisweilen Raffinesse in Gestaltung sowie bei der Klapptechnik und offenbaren bei längerer Betrachtung eine Reihe skurriler Details. Die Art der Darstellung und auch die Auswahl der Figuren der Krippe von Kubašta richten sich vermutlich eher an Kinder, die durch die preisgünstige und bunte Darstellungsweise für das Thema begeistert und an die Weihnachtsgeschichte herangeführt werden konnten. Der Gestalter schafft hier ein märchenhaft-orientalisches Ambiente für die biblische Geschichte, das quasi eine eigene Interpretation anbietet: Es wird kein armes Kind in einem Stall gezeigt, sondern hier hält der Gottessohn Hof und lässt sich beschenken.

Wie der Gestalter Kubašta haben unzählige weitere Künstlerinnen und Künstler das Thema Weihnachtskrippe im Laufe mehrerer Jahrhunderte bearbeitet und sind dabei zu eigenen Darstellungsweisen und Interpretationen gekommen. Einige davon lassen sich in der jährlichen Krippenausstellung in Telgte bestaunen.

Seitenaufsteller der Krippe mit Engelchen, Weihnachtsbaum und Kaninchen.

 

Quellen und Literatur

Findlay, James A. / Rubin Ellen G. K.: Pop-ups, Illustrated Books, and Graphic Designs of Czech Artist and Paper Engineer Vojtěch Kubašta (1914-1992), Fort Lauderdale 2005 [Ausstellungskatalog und Werkverzeichnis].

Klappkrippe Vojtěch Kubašta: Vánocní Betlém, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, K03174.0000.

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