„Der Genuß dieser wirklich hervorragenden Orient-Zigarette sollte sich mit der Freude an besonders schönen Filmbildern paaren.“

10.10.2023 Niklas Regenbrecht

Das „Gold-Film-Bilder“ Album 1 des Zigarettenherstellers Constatin. Den Einband ziert das Sammelbild des deutschen Schauspielers Werner Fuelterer (Foto: Schulte/LWL).

Das Sammelalbum „Gold-Film-Bilder“

Kathrin Schulte

„Lebenswahr und naturnahe [sic], farbig auf goldenem Grund, so präsentieren sich Ihnen heute die Prominenten der Filmkunst, denen wir viele schöne Stunden verdanken“ – so heißt es einleitend im „Gold-Film-Bilder“-Album des Zigarettenherstellers Constantin. Das Album mit den Maßen 30 mal 23 Zentimeter fasst 23 Seiten mit Platz für Sammelbilder verschiedener Filmschauspieler:innen, eine Seite mit einführendem Text sowie vier Seiten mit Szenenbildern einzelner Filme. Das Album ist mit anderen Sammelalben ein Neuzugang im Archiv für Alltagskultur. Die meisten dieser Alben stammen aus der NS-Zeit und hatten auch eine propagandistische Funktion. Die Familie des ursprünglichen Eigentümers, der dem Archiv unter anderem bereits zahlreiche Schüler- und Abiturzeitungen vermacht hat, besaß ein Lebensmittelgeschäft in Minden, in dem seine Großmutter die Sammelbilder an ihre Kundschaft weitergab, die Sammelalben aber auch selbst füllte und schließlich an ihren Enkel übergab.

Geschichte der Sammelalben

Die ersten Sammelbilder vertrieb im deutschsprachigen Raum ab ca. 1860 der Schokoladenhersteller Stollwerck. Die Bilder waren auf der Verpackung der „Bilder und Photographie-Schokoladen“ abgedruckt. Den endgültigen „Durchbruch“ haben die Sammelbilder aber den Liebigbildern zu verdanken, die seit 1872 dem Fleischextrakt der Firma Liebig beigelegt wurden. Die Bilder, die sich in den Formaten 9 mal 5 sowie 7 mal 11 Zentimetern etabliert hatten, wurden als Chromolithographie gedruckt und konnten so mit wenig Zeitaufwand in großer Zahl als Farbdrucke produziert werden. Sie erschienen meist als sechsteilige, enzyklopädisch angelegte Serien zu verschiedenen Themen und enthielten auf der Rückseite weitere Informationen. Das Sammeln erfreute sich großer Beliebtheit, in der Anfangsphase vor allem in bürgerlichen Kreisen, da es sich bei Produkten wie Schokolade sowie Fleischextrakt um hochpreisige Artikel handelte. Viele Hersteller gaben ab dem Ende des 19. Jahrhunderts Sammelalben heraus, die zusätzliche Informationen zu den Bildern und Serien gaben. Für Hersteller, die wie die Firma Liebig keine eigenen Alben herausgaben, etablierten sich auf dem Markt schnell Alben anderer Hersteller.

Während des Ersten Weltkriegs wurde die Produktion der Sammelbilder eingestellt. Nach Kriegsende stiegen die Zigaretten- und Margarinehersteller in den Vertrieb der Sammelbilder ein, diese wurden nun für nahezu alle Bevölkerungsteile erschwinglich. Die Serien umfassten nun hunderte Bilder zu übergeordneten Themen wie Sport, Film, den (ehemaligen) Kolonien und dienten ab den 1930er Jahren auch nationalsozialistischer Propaganda. In den zugehörigen Sammelalben befanden sich nummerierte Rahmen, die die Position der einzelnen Sammelbilder anzeigten. Diese wurden nun nicht mehr eingesteckt, sondern eingeklebt. Zu dieser Zeit entwickelten sich zwei verschiedenen Albumstile: Die einen Alben waren unkommentiert und boten Platz für eine Vielzahl an Bildern, die anderen erinnern an heutige Sachbücher und erläuterten im Fließtext ausführlich mit Sammelbildern illustrierte Themen.  

1942 kam die Sammelbildproduktion kriegsbedingt zum Erliegen, nach Kriegsende wurden teils alte Serien neu aufgelegt. Anfang der 1950er Jahre wurde ein Gesetz verabschiedet, nach dem Produkten nur noch Reklamegegenstände geringen Werts beigegeben werden durften. Die Sammelbilder konnten nur noch ohne konkreten Werbezusammenhang vertrieben werden, so wie gegenwärtig beispielsweise die Bilder verschiedener Fußballspieler:innen der Marke Panini.

Auf der ersten, nicht paginierten, Seite befindet sich der einige längere Text des Albums, neben Werbung für die Zigarette „Constantin No. 23“ informiert er über Film und Filmstars (Foto: Schulte/LWL).

Das „Gold-Film-Bilder“-Album

Das Sammelalbum „Gold-Film-Bilder Album 1“ sowie die zugehörigen Bilder dienten zur Werbung für die Zigarettenmarke „Constantin No. 23“. Diese wurde von der Constantin-Zigarettenfabrik in Dresden, die zur Jasmatzi AG gehörte, hergestellt. Die Firma Jasmatzi wurde nach ihrem aus Griechenland stammenden Gründer Georg Anton Jasmatzi benannt und 1880 gegründet. Auf dem Titel befindet sich das Bild des deutschen Schauspielers Werner Fuetterer; da es sich um ein aufgeklebtes Sammelbild handelt, konnte der oder die Besitzer:in selbst über die Gestaltung des Einbands entscheiden. Das „Album 1“ hat es auch mit einem roten Einband gegeben – in der Form ist es auch heute noch über zahlreiche Onlineplattformen antiquarisch erhältlich. Das Album stammt aus dem Jahr 1933 und hat Platz für 180 Sammelbilder verschiedener deutscher und internationaler Filmstars, die, in bunten Farben nachkoloriert, vor einem goldenen Hintergrund abgebildet sind. Ergänzt werden die 23 Seiten mit je zwei Reihen zu meist vier Bildern von ebenfalls kolorierten Standbildern aus berühmten Filmen, zum Beispiel Lilian Harvey und Hans Albers im Film „Quick“. Bei drei der vier Abbildungen wird darauf hingewiesen, dass es sich um Tonfilme der Ufa, der deutschen Produktionsfirma Universum Film AG, handelt.

In dem Album befinden sich 180 Sammelbilder verschiedener deutscher und internationaler Filmstars vor goldenem Hintergrund. Hier sind zum Beispiel Lilian Harvey und Willy Fritsch abgebildet, letzterer sprach den ersten vollständigen Satz in einem deutschen Tonfilm (Foto: Schulte/LWL).

Heute wohl selbstverständlich, ergibt der Hinweis auf den Tonfilm im Kontext der frühen 1930er Jahre durchaus Sinn: Erst kurz zuvor, 1929, hatte der Tonfilm mit dem Film „Melodie des Herzens“ seinen Weg nach Deutschland gefunden – den ersten deutschen Satz sprach der Schauspieler Willy Fritsch mit „Ich spare nämlich auf ein Pferd!“ Trotz neuer, teurer technischer Voraussetzungen etablierte sich der Tonfilm innerhalb weniger Jahre, was gleichzeitig das Karriereende mehrerer Stummfilmstars, deren Stimme zum Beispiel zu hoch für den Tonfilm war, bedeutete. Die Schauspieler:innen wurden zu Vorbildern, deren Bewegungen, Positionen, Verhalten und Kleidung vom Publikum imitiert wurden. Eine zeitgenössische Studie maß den Filmen sogar erzieherischen Wert bei. Diesen Starkult und die Möglichkeit, den Film und die Identifikation mit den Stars als Flucht aus dem Alltag zu nutzen, thematisiert auch der Einführungstext in das Sammelalbum: „Jahr für Jahr bringen alle Gebiete der Kunst aus den Reihen ihrer Träger Prominente hervor. Und doch sind es besonders diejenigen der Filmkunst, die uns – alt und jung – in ihren Bann ziehen, wenn sie von der Leinwand herab uns begrüßen und in lebendigem Spiel zu uns sprechen oder singen. […] Im Film überspringen wir die Schranken der nüchternen Wirklichkeit und lassen uns in den Lebensbereich jenseits der Kamera geleiten.“

In dem Album befinden sich vier kolorierte „Standbilder“ aus verschiedenen Filmen, hier sind Lilian Harvey und Hans Albers in einer Szene des Films „Quick“ zu sehen (Foto: Schulte/LWL).

Das Album ist vollständig. Die Schauspieler:innen sind teils mehrfach und in verschiedenen Rollen und Kostümen abgebildet – die Firmen bedienten sich meist an dem Bildmaterial, das die Filmindustrie begleitend zu den entsprechenden Filmen herausgab und als Autogrammkarten oder in Zeitschriften publizierte. Die Schauspielerinnen sind leicht in der Überzahl. Anders als bei anderen Sammelalben, die Filmstars zum Motiv haben, sind in die Frauen hier weniger stereotyp dargestellt – während die Schauspielerinnen in den Alben der Firma Josetti im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen in Ganzkörperperspektive, knappen Kostümen und aufreizenden Posen abgebildet werden, ist dies im Album der Firma Constantin nicht der Fall, zumindest nicht in dem Ausmaß. Die Schauspielerinnen sind im „Gold-Film-Album“ zwar etwas häufiger bis zur Hüfte abgebildet, zeigen in einigen Fällen ihre Schultern oder sind in Badeanzug oder rückenfreiem Abendkleid abgebildet. Gleichzeitig werden aber auch Schauspielerinnen in folkloristischen oder anderen Kostümen gezeigt – eine so starke Sexualisierung wie in anderen Alben ist hier nicht der Fall.

Darauf, dass es sich um das Album eines Zigarettenherstellers handelt, weist wenig hin. Einführend verweisen zwar einige Sätze auf das Produkt und betonen die entspannende Wirkung der Zigarette, außerdem solle sich „Der Genuß dieser wirklich hervorragenden Orient-Zigarette […]  mit der Freude an besonders schönen Filmbildern paaren.“ Auf den Sammelbildern selbst ist nur neunmal eine Zigarette abgebildet, siebenmal rauchen Schauspieler, zweimal Schauspielerinnen. Zudem sind zwei Pfeifen und eine Zigarre zu sehen. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um die einzigen „Accessoires“ auf den Sammelbildern. Neben einer großen Anzahl verschiedener Kopfbedeckungen hält Jeanette Mac Donald auf einem Bild ihre Handtasche, auf dem anderen eine Katze ins Bild, Truus van Aalten einen Hund und Charlotte Susa einen Teller Gebäck. Die Schauspieler wirken durch die Gegenstände auf den Fotos aktiver, Hans Albers spielt Akkordeon, Buster Keaton hält Spielkarten in Händen und Hans Stüwe einen Tennisschläger.

Durch die Darstellung der Schauspieler:innen auf den Sammelbildern entsteht ein diachrones Bild: Einerseits sind sie in verschiedenen Posen und Kostümen dargestellt, blicken die betrachtende Person direkt an und erzeugen Nähe und bieten Identifikationspotential, andererseits wirkt die bunte Koloration fast künstlich und der goldene Hintergrund betont die Prominenz der Personen. Vor allem aber zeigen sich die zahlreichen Funktionen des Sammelalbums und eines Inhalts: Es ist Werbeträger, befriedigt die Sammelleidenschaft, hat eine Unterhaltungs- und Identifikationsfunktion und bedient den Starkult der späten Weimarer Republik bzw. frühen NS-Zeit.

 

Literatur:

Weyers, Dorle/Köck, Christoph: Die Eroberung der Welt. Sammelbilder vermitteln Zeitbilder. Detmold 1992.

Blume, Judith: Wissen und Konsum. Eine Geschichte des Sammelbildalbums 1860 – 1952. Göttingen 2019.

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Schlagwort: Kathrin Schulte