Barbara Stambolis
Woodstock – US-amerikanisches Open-Air-Event des Jahres 1969 – erlangte Kultstatus. Das Festival wurde aus einer rückblickenden Perspektive auf die 1960er und 1970er Jahre zum Fahnenwort für ein musikalisch und habituell sich manifestierendes Lebensgefühl. Zeitzeug*innen sprechen in der Rückschau über eigene Woodstock-Erlebnisse, auf Fehmarn und auch in kleineren Formaten zwischen Ruhr und Weser.
In Erinnerung an ihre Jugend in den 1960er und 1970er Jahren in Bochum, Herford oder Vlotho erzählen Menschen, was sie damals bewegt hat. Die Wahrnehmungen waren sehr unterschiedlich: Es sei darum gegangen, der ländlichen Enge ihres Heimatdorfes zu entkommen oder sich der erdrückenden Kontrolle eines autoritären, aber nicht als Autorität empfundenen Vaters zu entziehen. Mehrheitlich war der Wunsch zentral, etwas Abenteuerliches im Rahmen des Möglichen wagen, Spaß zu haben, mit Freund*innen zu lachen, zu tanzen und angesagte Musik zu hören. In der Rückschau wird gerne das Rebellische jener Zeiten betont. Die Zeitzeug*innen stellen auch lebensgeschichtliche Bezüge zu regionalen Highlights und Orten der Beat- und Rockgeschichte in Westfalen her. Das waren beispielsweise ein Open-Air-Festival am Kemnader See bei Bochum oder in Vlotho oder der Besuch einer besonderen Diskothek in Herford.
Eine Diskothek in Herford
Als „Beat-Rebellen“ wurden Besucher*innen des Herforder „Jaguar-Clubs“ in einer Fernsehdokumentation des WDR 2024 bezeichnet. In dieser Sendung kamen Menschen zu Wort, die in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre die Diskothek im umgebauten Scala-Kino besucht hatten. Benannt war sie nach einer Band namens „Jaguar“, die zwei Herforder Schüler gegründet hatten. Attraktiv war diese Location vor allem deshalb, weil hier viele Stars auftraten, so auch Jimi Hendrix im Mai 1967 - also noch vor dem Woodstock-Festival. Beim Love and Peace-Festival im September 1970 auf Fehmarn war sein Auftritt einer der Höhepunkte. Ein Findling auf der Insel erinnert bis heute daran. Unschwer ließ sich also in der Rückschau assoziativ ein Bogen von Hendrix‘ Auftritt in Herford zu seiner Teilnahme in Woodstock und am Woodstock-ähnlichen Event in Schleswig-Holstein schlagen.
Ein Festival am Rande von Bochum
Festivals im Freien hatten damals Konjunktur, Besucher:innen waren begeistert, weil sie Live-Musik boten, kaum profitorientiert waren, improvisiert wirkten und stets Überraschungen boten. Das galt auch für den „Hot Summer Day“ 1974 am Rande von Bochum. Circa 9.000 Besucher:innen waren am 27. Juli des Jahres in den Ruhrwiesen zu einem „Klein-Woodstock“ zusammengekommen. Es sei „eine Mischung aus Zigeunerlager, Campingplatz und Schützenfest“ gewesen, berichtete die regionale Presse. Von Seiten der Polizei und Feuerwehr habe es keine Klagen gegeben. Im Fazit sei es ein ausgesprochen friedlich-entspannter Samstag gewesen.
Im Rahmen des Erinnerungsprojektes gab ein Zeitzeuge unter der Überschrift „Bochumer Woodstock“ aus der Rückschau die Eindrücke wieder, die ihm im Gedächtnis geblieben waren. Preisgünstig sei der Eintritt gewesen, er habe im Vorverkauf nur fünf DM betragen. Manches habe er als chaotisch in Erinnerung, den Veranstaltern habe wohl die organisatorische Professionalität gefehlt. Zwei Bands hätten kurzfristig abgesagt und die Band „Grobschnitt“ aus Hagen, mit Spannung erwartet, habe am Nachmittag gespielt, weshalb deren für Lichteffekte bekannte Show nur bedingt zur Geltung gekommen sei. Insgesamt sei es aber ein „glücklicher Tag“ gewesen. Als ein wenig „hippielike“ hatte ein anderer Besucher dieses Wochenende im Gedächtnis.