Von Borstenvieh und Schweinespeck. Wenn der Hausschlachter sein blutiges Handwerk erledigte

26.11.2021 Niklas Regenbrecht

Das Abbrühen des Schlachtschweins.

Andreas Eiynck

Schweine waren noch vor zwei, drei Generationen weit verbreitete Haustiere. Man mästete sie, um sie im Winter zu schlachten. Das gehörte zum Alltagsleben und zum normalen Jahreslauf.

Nicht nur auf allen Bauernhöfen, sondern auch in den meisten Privathaushalten wurden bis in die Zeit um 1950 Hausschweine gehalten. So konnte man die Küchenabfälle sinnvoll verwerten und den Fleischvorrat preiswert selber produzieren. Selbst in den Städten grunzte noch in der Nachkriegszeit in vielen Hinterhöfen das Borstenvieh. In den Wintermonaten ab November machte dann der Hausschlachter seine Runden von Haus zu Haus, denn im Sommer war es für das Schlachten zu warm. Der Termin für das Schlachtfest lag also hauptsächlich in der Zeitspanne von November bis April.

Früh morgens erschien der Hausschlachter, um sein blutiges Handwerk zu verrichten. Mit einem Bolzenschussgerät tötete er das Schwein sachlich, schnell und effektiv. Das warme Blut fing man auf und verarbeitete es später zu Blutwurst und Wurstebrot. Sofort nach der Tötung wurde das Schwein mit heißem Wasser abgebrüht und der Hausschlachter entfernte die Borsten und die Klauen. Im nächsten Schritt hängte er das Schwein an einer Leiter auf und schlitzte ihm mit einem scharfen Messer den Bauch auf. Der Schlachter entnahm die Gedärme, die gereinigt und später als Wurstpellen verwendet wurden. Die essbaren Innereien wie Leber, Nieren und Lunge wurden entnommen und das Schlachtschwein blieb zum Auskühlen für mehrere Stunden an der Leiter im Freien hängen.

Die Schweinsblase wurde zur Freude der Kinder aufgeblasen und als Fußball benutzt. Über kleine Abfallstücke freuten sich der Hund und die Katzen.

Nun stellten sich die ersten Nachbarn ein zum „Schwiene priesen“. Sie lobten die dicken Speckschwarten und schätzten großzügig das Gewicht des Schweines – immer in der Hoffnung, dafür mit einem Schnaps und einem Stück frischem Fleisch belohnt zu werden. Auch der Trichinenbeschauer erschien, um das Fleisch auf die gefährlichen Trichinen zu untersuchen. Ein Stempel dokumentierte den einwandfreien Zustand.

Mittlerweile waren die Därme geschrubbt und die Utensilien für das Wursten und Einlagern des Fleisches vorbereitet. Die Schinken kamen in das Pökelfass und wurden durch Einsalzen haltbar gemacht. Dieses Verfahren ist bis heute üblich. Einen Teil des Fleisches zerkleinerte man im Fleischwolf und verarbeitete es zu Würsten, vor allem zu Mettwurst, Leberwurst und Blutwurst. Der Sud aus dem Wurstkessel bildete die Grundlage für das sogenannte Leberbrot, dem Mehl und Speckstücke beigemengt wurden. Aus dem Blut, Roggenschrot und Speck machte man das beliebte Wurstebrot. Es wurde an den Wochentagen im Winter zu Wurstsoppen aufgekocht oder in Scheiben in der Pfanne gebraten. Beide Gerichte stellen den Magen auf eine harte Probe.

Im 19. Jahrhundert kamen Weckgläser zum Einkochen des Fleisches und Konservendosen auf. Die Dosen wurden mit einem speziellen Gerät luftdicht verschlossen und waren nach einer entsprechenden Reinigung mehrfach verwendbar.

Am Abend des Schlachttages saß die ganze Familie um den großen Esstisch zusammen, um aus der großen Pfanne das erste frische Fleisch zu genießen. Alle stippten mit Weißbrot in das Fett in der Pfanne ein und leckten sich die Finger. Manchen ging es von dem vielen Fett am nächsten Tag gar nicht gut.

Der Fleischvorrat für die nächsten Wochen und Monate war mit dem Schlachttag gesichert und man konnte schon mal in Ruhe das nächste Mastschwein aussuchen.

 

Andreas Eiynck hat diesen Beitrag, der im Blog des Emslandmuseums Lingen (www.emslandmuseum.de) erstmalig abgedruckt wurde, für das Alltagskulturblog überarbeitet. Die Fotografien (mit Ausnahme der historischen Bilder) wurden 1988 bei einer Hausschlachtung in der Lingener Bauerschaft Laxten vom Autor aufgenommen.