„Dann blüht die Fabrik für alle Zeit“. Festspiel zum 50jährigen Jubiläum von Hoffmann’s Stärkefabriken

22.04.2022 Niklas Regenbrecht

80 Jahre Hoffmann's Stärkefabriken, Gesamtansicht von Hoffmann's Stärkefabriken.

Christiane Cantauw

Am 29. September 1900 beging die Aktiengesellschaft Hoffmann‘s Stärkefabriken ihr 50jähriges Firmenjubiläum. Anlässlich der Feierlichkeiten zu diesem Jubeltag hatte man ein Festspiel bei Gustav Delpy in Auftrag gegeben, welches am Jubiläumstag aufgeführt werden sollte.

Der 1854 geborene Gustav Delpy war ein in Köln lebender Redakteur und Festspieldichter, der schriftstellerische Auftragsarbeiten übernahm. Für die 1850 unter dem Firmennamen Stärke-Fabrik bei Salzuflen gegründeten Hoffmann‘s Stärkefabriken schrieb er 1900 eine Festschrift und ein Bühnenstück für vier Personen in acht Szenen. Eingeleitet wurden die Szenen durch sogenannte lebende Bilder, d. h. durch szenische Arrangements mit lebenden Personen.

Festspiel zum 50jährigen Jubiläum von Hoffmann’s Stärkefabriken.

Solche auch als tableaux vivants bezeichneten Darstellungen erfreuten sich in der Kaiserzeit außerordentlicher Beliebtheit. Sie konnten als alleiniges Element einer Aufführung eingesetzt werden (z. B. bei Ortsjubiläen) oder auch im Kontext von Gedicht-Proklamationen wie im Fall dieses Festspiels. Delpy nutzte die lebenden Bilder offenbar zur Belebung des Stücks, welches nur wenig Handlung aufweist.

Für die Proklamation der Verse im dreihebigen Jambus waren vier Rollen vorgesehen: Der Wanderer, der Ziegler, die Industrie und der Werkmeister. Die Erzählung des Stücks folgt im Wesentlichen der Gründungsgeschichte der Firma. Ein Wanderer – in der Regieanweisung heißt es zu dieser Rolle „Mögliche Aehnlichkeit mit dem Gründer der Fabrik Heinrich Salomon Hoffmann“ – begibt sich ins Werretal („Ein schönes Thal, auf dem der Segen ruht!“), wo er Zeuge der tränenreichen Verabschiedung eines lippischen Zieglers von seiner Familie wird. Der Wanderer zeigt sich betroffen von dem geringen Angebot an Arbeitsplätzen vor Ort und sinnt nach über die Gründung einer Fabrik. Die Industrialisierung bringt Wohlstand und Zufriedenheit in das Tal, an denen sich zwar nicht der Firmengründer, wohl aber sein Sohn Eduard erfreuen kann, der 1852 nach dem Tod des Vaters die Firma übernimmt. Der Werkmeister leitet schließlich zur Jubelfeier über, die in der Enthüllung eines Denkmals für den 1894 verstorbenen Eduard Hoffmann, der die Firma 42 Jahre lang mit großem Erfolg geleitet hat, einen Höhepunkt erfährt.

Richard Tiemann: 80 Jahre Hoffmann’s Stärkefabriken, 60 Jahre Hoffmann’s Reisstärke Marke „Katze“.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert befand sich die europaweit zu dieser Zeit leistungsstärkste Fabrikationsanlage zur Herstellung von Speise- und Wäschestärke auf dem Höhepunkt ihrer wirtschaftlichen Prosperität. In den Fabriken am Rande von Bad Salzuflen arbeiteten rund 1.200 Männer und Frauen. Der Arbeitskräftebedarf konnte zeitweilig in der Nahregion nicht mehr gedeckt werden, so dass Arbeiter:innen aus dem Eichsfeld angeworben werden mussten. Seit den 1880er Jahren verfügte der Betrieb über eine eigene Krankenversicherung, eine Pensions- und Unterstützungskasse und eine Werkfeuerwehr. Die Fabrikation von Stärke wurde bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt. 1990 endete die bis dahin 140jährige Firmengeschichte.

Das von Delpy verfasste Festspiel verbindet den Gründungsmythos einer international agierenden Firma mit regionaler Wirtschaftsgeschichte (Wanderarbeit der lippischen Ziegler), jahreszeitlichen Ritualen (Erntefest), globalen wirtschaftlichen Verflechtungen (Reisernte in Indien) und der Jubelfeier. Spannend ist das vierte der fünf lebenden Bilder, welches eine Vision der Fabrik veranschaulichen soll. Nach der Vorstellung Delpys besteht diese aus dem Fabrikgebäude mit vorgelagertem Denkmal von Eduard Hoffmann: „Genien knüpfen eine Rosengirlande um den Sockel, Arbeiter und Arbeiterinnen gruppieren sich zu beiden Seiten.“ (S. 14) In diesem Bild vereinen sich die Eintracht der Arbeiterschaft und die Würdigung des langjährigen Fabrikdirektors Eduard Hoffmann zu einer gemeinsamen Vision von der Wirkmacht der Industrie. Dabei darf – der Zeit entsprechend – auch der nationale Gedanke nicht fehlen, der Eduard Hoffmann im letzten Vers zu einem „Helden deutscher Industrie“ (S.15) erhebt.

Festspiel zum 50jährigen Jubiläum von Hoffmann’s Stärkefabriken, letzte Seite.

Literatur und Quellen:   

Gustav Delpy: Fest-Spiel zum 50jährigen Jubiläum von Hoffmann's Stärkefabriken Aktiengesellschaft, Salzuflen, am 29. September 1900, o. O., 1900

Gustav Delpy: Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum von Hoffmann's Stärkefabriken Aktiengesellschaft Salzuflen am 29. Sept. 1900, Salzuflen: Hoffmann, 1900.

Richard Tiemann: Eduard Hoffmann, 12.9.1832 - 16.12.1894. Der Begründer der deutschen Reisstärkeindustrie. Der Schöpfer der Hoffmann’s Stärkefabriken Aktiengesellschaft Bad Salzuflen, [Bad Salzuflen], 1931.

Ders.: 80 Jahre Hoffmann’s Stärkefabriken, 60 Jahre Hoffmann’s Reisstärke Marke „Katze“, Ein Rückblick und Ausblick, 1850, 1870, 1930, Bad Salzuflen, 1930.

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