Eine Schülerin erleidet Antisemitismus

02.02.2024 Niklas Regenbrecht

Erika Weinberg (Foto: Zellentrakt Herford).

Ausstellung im Zellentrakt Herford: Wie jüdische Kinder und Jugendliche noch vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten aus den Schulen verdrängt wurden

Clara Magdalena Schmitt

Angeblich sei das Friedrichs-Gymnasium in Herford nicht sonderlich antisemitisch, hatte ein Freund ihres Vaters gesagt. Erikas Erfahrung war eine andere. Erika Weinberg geboren 1915 in Herford, besuchte hier zunächst das Lyzeum (Königin-Mathilde Gymnasium). Durch die Empfehlung eben jenes Freundes ihres Vaters, wechselte sie von 1929-1933 auf das Friedrichs-Gymnasium Herford. Sie verließ 1933 vor Beendigung des Abiturs die Schule, weil sie die Ausgrenzung der anderen Schüler und Lehrer nicht mehr aushalten wollte. Die Diskriminierung ging von der Schule bis in den obligatorischen Tanzkurs mit 16. Sie erzählte darüber: „Man hat mir damals noch nicht einmal ‚Guten Tag!‘ gesagt bis auf ein Paar. Es war so eine Stimmung. Ich hatte keine Lust mehr auf Schule und auch keine Lust mehr zum Lernen und dann hab ich zu meinen Eltern gesagt: ‚Ich geh da nicht mehr hin!‘“ Hauptsächlich seien die Diskriminierungen, die Erika den Schulalltag unerträglich machten, von anderen Schülern ausgegangen. Lehrer äußerten sich aber auch antisemitisch im Unterricht. Sie schilderte eine Situation von 1932: „Denn ich hab mir so schnell nichts gefallen lassen. Der Herr Studienrat hat einmal gesagt: ‚Die Juden sind alle feige.‘ Daraufhin bin ich aufgestanden und habe gesagt: ‚Herr Studienrat, mein Vater war im Krieg, ist verwundet worden und hat das eiserne Kreuz. Das stimmt nicht!‘ Und der ist puterrot geworden“.

Erikas Familie gelang 1938 noch die Flucht nach Südamerika. Ihre Erfahrungen zeigen, dass antisemitische Hetze auch an der Herforder Schule schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten tief verankert war. Mit der Machtergreifung bekam die rassistische Diskriminierung eine andere Dimension und die Politik verfolgte systematisch den Ausschluss jüdischer Kinder und Jugendlicher.  Die NS-Regierung erließ das erste Gesetz gegen jüdische Kinder schon am 25.04.1933 fast gleichzeitig mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, welches jüdische Lehrer von den Schulen ausschloss. In der Schule waren jüdische Kinder und Jugendliche sowohl durch antisemitische Lehrinhalte als auch durch das Lehrpersonal und Mitschüler antisemitischer Diskriminierung ausgesetzt. Gezielt forciert durch die Politik der NS-Regierung, aber durchgesetzt von Lehrenden, auch unabhängig vom Diktum der Regierung. Nach der Reichspogromnacht 1938 erfolgte am 15.11.1938 das Verbot für alle jüdischen Schülerinnen und Schüler eine öffentliche Schule zu besuchen.

Ein Interview mit Erika Weinberg ist als Teil der aktuell in der Gedenkstätte Zellentrakt in Herford gezeigten Ausstellung: „Anne Frank war nicht allein – Jüdische Kindheit und Jugend im Kreis Herford 1933-1945“ zu sehen. Diese verdeutlicht, wie seit der Machtergreifung die NS-Regierung jüdische Kinder und Jugendliche systematisch aus deutschen Schulen verdrängte. Neben der Unterdrückung durch antisemitische Gesetze mussten jüdische Kinder und Jugendliche persönliche Anfeindungen und Ausgrenzungen durch Lehrer und Gleichaltrige ertragen. Das begann aber nicht erst mit der Machtergreifung im Jahr 1933. Die Ausstellung thematisiert die Kindheit verschiedener jüdischer Kinder und Jugendlicher im Raum Herford. Die gezeigten Biografien geben einen Einblick in die Kindheit geprägt vom Antisemitismus der 30er Jahre. Es wird ebenfalls darüber aufgeklärt, wie in den Schulen Antisemitismus und Hetze gelehrt wurde.

Die Ausstellung ist noch bis Ende März zu sehen. Jeden Samstag und Sonntag ist von 14:00 bis 16:00 kostenfrei geöffnet. Für Schulklassen und andere Gruppen sind auch nach Absprache andere Öffnungen und Führungen möglich.

 

Zuerst erschienen in: HF-Magazin. Heimatkundliche Beiträge aus dem Kreis Herford, Nr. 127, 13.12.2023, herausgegeben von der Neuen Westfälischen.

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