Die Seifenmanufaktur Steffens in der Petersilienstraße – 3 Generationen stellten Seife her

31.01.2023 Niklas Regenbrecht

Bezugsmarken für Rasierseife von 1939. Foto Kommunalarchiv Herford.

1963 machte eine Abrissbirne den übriggebliebenen Schornstein dem Erdboden gleich

Anna Vogt

In der Drogerie liegt sie heute als Cent-Artikel im untersten Regal: Das Seifenstück. Das Stück Seife ist heute vielfach von duftenden, bunten Flüssigseifen ersetzt worden. Dabei hat die Seife eine besondere Bedeutung für die Hygiene. So wichtig, dass es sie im Krieg sogar auf Bezugsschein gab: Rasierseife für den Herrn, Feinseife für Kinder bis 3 Jahre und Einheitsseife für den allgemeinen Hausgebrauch.

Lange Zeit wurde Seife handwerklich hergestellt. Das Grundprinzip der Seifenherstellung besteht darin, Fette mit Hilfe von Natronlauge zu Seife und Glycerin zu „verseifen“. Findet dieser Prozess bei relativ geringen Temperaturen statt, dauert es mindestens 6 Wochen bis eine Seife fertig ist. Wird die Seifenmasse, der sogenannte Seifenleim, erhitzt geht es deutlich schneller. Das Seifengemisch wird gekocht, bzw. gesiedet, daher spricht man auch vom Seifensieden. 

Julius Heinrich Steffen (1838-1887). Foto: Kommunalarchiv Herford.

Noch 1896 gab es laut Adressbuch vier Seifenfabriken in Herford: Siederei Hentschel in der Credenstraße 33, Niedermöller in der Lübberstraße 19, Weihe in der Ahmserstraße 100 und Steffen in der Petersilienstraße 15. Seidensiederei Heinrich Steffen zählte zu den ältesten Siedereien in Herford. Der Seifenfabrikant Heinrich Steffen (1795-1867) gründete in den 1840er Jahren seine Seifenfabrik in der Herforder Neustadt. Sein Sohn Julius Heinrich Steffen (1838-1887) übernahm 1867 nach dem Tod des Vaters die Siederei, bildete in dem aufstrebenden Betrieb auch Lehrlinge aus. So wurde 1887 der Sohn des Wagenbauers Wilhelm Borchard aus Petershagen für 3 Jahre eingestellt. Im Lehrvertrag versicherte der Seifensieder seinem Lehrling „Anleitung und Gelegenheit zu geben, sich Kenntnisse und Geschicklichkeit in allen Handlungssachen zu erwerben“, damit er sein Fortkommen finde. Sollte sich der Lehrling bewähren, würde man ihn nach der Lehrzeit empfehlen. Umgekehrt bürgte der Vater für die „Treue, Ehrlichkeit und Verschwiegenheit“ seines Sohnes und versicherte, allen Schäden, die der Sohn verursachen würde, zu ersetzen.

Der Schornstein an der Petersilienstraße wurde 1963 abgebrochen. Foto: Kommunalarchiv Herford.

In 3. Generation übernahm 1888 Friedrich Carl Steffen (1870-1917) die Seifenfabrik. Die Seifenproduktion florierte: Am 11. November 1895 beantragte Carl Steffen bei der Stadt Herford die Genehmigung für einen Erweiterungsbau. Die Anlage bestand bis dato aus einem Siederaum mit 3 Kesseln zum Schmelzen von Fetten und Erhitzen des Seifenleims. Der Heizraum befand  sich in einem Vorraum. Durch den Erweiterungsbau sollte der Siederaum bedeutend vergrößert und unterkellert werden. Der Heizraum sollte in den Keller verlagert werden, der neue Siederaum ohne Decke bis unter das Dach reichen. Der „für die Feuerungsanlage und zur Aufnahme und Abführung von Dünsten“ bereits vorhandene 12 Meter hohe Schornstein wurde noch einmal um 4 Meter erhöht. Ohne Bürokratie ging es auch schon 1895 nicht. Der Antragssteller hoffte am Ende seiner Beschreibungen, „alle Vorschriften und Conzessionsbedingungen für die Anlage von Seifensiedereien“ berücksichtigt zu haben. Die Genehmigung erhielt er.

Zehn Jahre später kam es 1906 zur zweiten großen Erweiterung: Der Schornstein wurde auf satte  40 Meter aufgeführt und ein weiterer moderner Dampfkessels eingebaut. Außerdem wurde eine spezielle Fettspaltungsanlage installiert, um aus Fett mit Hilfe von Säure und Dampf in einem 36-stündigen Verfahren Glycerin abzuspalten. Die Anlage kostete stattliche 6000 RM. Nach dem Tod von Carl Steffen 1917 übernahm zunächst die Witwe Adele Steffen die Geschäfte, bevor 1925 die Seifenfabrik geschossen wurde. Weithin sichtbar war für lange Zeit noch der monumentale Schornstein. Als 1963 die Häuser an der Ecke Berliner Straße / Petersilienstraße abgerissen wurden, donnerte eine 1.000 Kilo-Abrissbirne mehrmals gegen den massigen Schornsteinfuß – bis der Schornstein am Ende umfiel und dem Erdboden gleich gemacht wurde.

Zuerst erschienen in: HF-Magazin. Heimatkundliche Beiträge aus dem Kreis Herford, Nr. 123, 14.12.2022, herausgegeben von der Neuen Westfälischen.

Link: https://www.kreisheimatverein.de/wissen/hf-magazin/

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