„Ein wesentliches Hülfsmittel zum guten und auch zum sparsameren Kochen ist ein zuverlässiges Kochbuch“

01.03.2021 Niklas Regenbrecht

Praktisches Kochbuch, 32. Auflage 1892, Bibliothek der Kommission Alltagskulturforschung, Signatur ET 23c, Foto: Regenbrecht/LWL.

Zum 220. Geburtstag von Henriette Davidis

Niklas Regenbrecht

Heute vor genau 220 Jahren, am 1. März 1801, kam Johanna Friederika Henriette Katharina Davidis in Wengern, heute ein Stadtteil von Wetter (Ruhr), zur Welt. Als Pfarrerstochter mit zahlreichen Geschwistern besuchte sie eine höhere Töchterschule und war als Erzieherin in privaten Haushalten und einer Mädchenschule tätig. Parallel dazu erarbeitete sie ein Kochbuch, welches im Jahr 1845 erstmals erschien und Henriette Davidis zu einer der meistgelesenen Kochbuchautorin der Zeit werden ließ. Über einhundert Jahre lang wurde ihr Hauptwerk, das „Praktische Kochbuch“, immer wieder überarbeitet, aktualisiert und in fremde Sprachen übersetzt, eine Arbeit, die nach Davidis Tod – sie starb am 3. April 1876 in Dortmund – von anderen Bearbeiterinnen fortgeführt wurde. Davidis Name wurde dabei in den wechselnden Buchtiteln beibehalten. So wurde die Bezeichnung „Henriette Davidis (Praktisches) Kochbuch“ ähnlich einem Markennamen oder einem Qualitätsmerkmal gleichkommend fortgeführt. Der vollständige Titel der Erstausgabe von 1845 enthielt dabei schon eine nahezu umfassende Inhaltsangabe:

„Praktisches Kochbuch. Zuverlässige und selbstgeprüfte Recepte der gewöhnlichen und feineren Küche. Practische Anweisung zur Bereitung von verschiedenartigen Speisen, kalten und warmen Getränken, Gelees, Gefrornem, Backwerken, sowie zum Einmachen und Trocknen von Früchten, mit besonderer Berücksichtigung der Anfängerinnen und angehenden Hausfrauen.“

Gerade die „Anfängerinnen und angehenden Hausfrauen“ lagen der Erzieherin Davidis am Herzen. So enthielt Davidis Hauptwerk, das Praktische Kochbuch, nicht nur entsprechendes Grundlagenwissen zum Kochen. Bereits einleitend stellte sie dort auch die wichtigsten Regeln des bürgerlichen Haushaltes auf, die da waren: Reinlichkeit, Sparsamkeit, Achtsamkeit und Überlegung sowie Ordnung. Dass man sich genau an die Angaben des Kochbuches zu halten habe, verstand sich da von selbst. Bei den Gewürzen – außer jedoch beim Pfeffer – galt allerdings eine Ausnahme, wie direkt in der Einleitung klargestellt wurde: „Man kann die Gewürze nach Belieben anwenden, gerade so, wie sie der Familie zusagen; doch richte man sich bei den Hauptsachen genau nach der Angabe. Vorsichtig aber sei man mit dem Würzen des Pfeffers, der, im Uebermaß angewandt, ganz besonders für Kinder nachtheilig ist.“ (Einleitung, S. 3, 32. Aufl., 1892)

"Auf diesem Herd, an dieser Stelle im Pfarrerwitwenhaus hat einst die Verfasserin des berühmten Kochbuches ihre Rezepte erprobt." Gedenktafel für Henriette Davidis in Wengern, Aufnahme von 1962, Fotograf Karl Schmidthaus, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 0000.26207.

Henriette Davidis veröffentlichte in der Folge weitere Werke, wie den an junge Mädchen gerichteten Band „Puppenköchin Anna. Ein praktisches Kochbuch für kleine liebe Mädchen“ (1856) oder das auf den „Beruf der Hausfrau“ vorbereitende Buch „Die Jungfrau. Worte des Rats zur Vorbereitung für ihren Beruf“ (1857), welches sich an junge Frauen vor ihrer Vermählung richtete. Für bereits in den Hausfrauenstand eingetretene Frauen veröffentlichte Davidis wenig später den Band „Die Hausfrau. Praktische Anleitung zur selbständigen und sparsamen Führung des Haushalts, eine Mitgabe für junge Frauen zur Förderung des häuslichen Wohlstandes und Familienglücks“ (1861).

Für verschiedene Anforderungen und Altersstufen des Hausfrauenlebens standen also Anleitungs- und Ratgeberwerke aus der Davidisschen Feder bereit. Dahinter kam ein Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie und ihrer Rollenverteilung zum Ausdruck, wie es sich im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelt hatte und hier auch einen ersten Bedeutungshöhepunkt erfuhr. Während der Mann als Alleinverdiener sein Augenmerk auf das Außerhäusliche richtete, fand die bürgerliche Hausfrau ihre Rolle im familiären Innenverhältnis bei der Kindererziehung und vor allem in der Küche. Ein Ideal, dem Davidis selbst in ihrer eigenen Lebensgestaltung interessanterweise nie folgen konnte oder wollte. Sie blieb unverheiratet und kinderlos. Das in Davidis Büchern zum Ausdruck kommende – heute wohl als traditionell bezeichnete – Familien- und Rollenverständnis bedeutet aber nicht, dass sie damaligen neuen und modernen Geräten oder Lebensmitteln abgeneigt gewesen wäre. Die Verwendung von neuen Substanzen, wie etwa Liebig’s Fleischextrakt, empfahl sie durchaus. Sie stellte ihren etablierten Namen für spezielle Kochbücher des Herstellers dieses als modern angesehenen Produktes zur Verfügung. (Zu Liebig’s Fleischextrakt siehe auch hier.)

Um einen weiteren Lebensbereich der Hausfrau abzudecken, veröffentlichte Davidis erstmals im Jahr 1850 auch ein Gartenbuch. Äquivalent zu ihrem Kochbuch fasste auch dessen Titel bereits die wesentlichen Inhalte zusammen:

„Der Gemüse-Garten. Praktische Anweisung zur Kultur eines Gemüsegartens unter Berücksichtigung der Schönheit und des reichlichen Ertrages; so wie auch das Nöthige über Lage, Boden, Umzäunung, Einrichtung, Dünger, Garten-Geräthschaften, Kultur der Pflanzen und fruchtbringenden Sträucher, Samenziehung, Dauer der Keimkraft, die erforderliche Quantität der Sämereien und wie mit den Gemüsen am zweckmäßigsten abzuwechseln ist nach den Monaten geordnet. Nebst einem Anhange über das Conserviren der Gemüse. Sowol nach eigenen, als nach den langjährigen Erfahrungen praktischer Gartenfreunde mit besonderer Berücksichtigung der Anfängerinnen und angehenden Hausfrauen“ (Titel nach 4. Auflage 1859).

Ausführlicher ging sie im Vorwort auf Anspruch und Nutzen des Bandes ein. Gleichzeitig verwies sie neben der eigenen Erfahrung auch auf geschulte Experten als wichtige Quelle für ihr Buch.

„Doch wie überhaupt das Nützliche mit dem Schönen zu verbinden ist, so kann auch hier mit den Vortheilen, welche zweckmäßige Kultur und unermüdlicher Fleiß gewähren, zugleich eine dem Schönheitssinne genügende Ordnung stattfinden, die durch Liebhaberei mehr und mehr Reiz gewinnt, und da dem Auge einen angenehmen Eindruck gewährt, wo man das sichtbare Gedeihen der Pflanzen bewundert.
Vorliegendes Werkchen liefert bei einer kurzen Fassung eine vollständige Anweisung zur Bestellung eines Gemüsegartens, und ist mit besonderer Rücksicht auf ganz Unkundige bearbeitet. Die darin niedergelegten Erfahrungen beziehen sich zunächst auf Niederrhein und Westphalen, jedoch trägt dasselbe im Allgemeinen keinen provinziellen Charakter und wird sich daher (mit Berücksichtigung des Temperatur-Unterschiedes) überall bewähren.
Wol mag bei dem Streben nach allgemeiner Verständlichkeit die Form zu wenig berücksichtigt worden sein; auch hat weder Gelehrtthuerei, noch die Absicht ein Werkchen rasch produciren zu wollen, dabei zum Grunde gelegen, eben so wenig hat mich dieses dazu verleiten können, irgend Abhandlungen stückweise zusammenzutragen, was man bekanntlich sowol bei kleineren als größeren Gartenbüchern so häufig findet; sondern es sind bei ruhigem Erwägen die Erfahrungen tüchtiger Männer, praktisch und wissenschaftlich gebildeter Gartenfreunde, mit den eigenen verbunden, hier niedergelegt, und ist keine Mühe gescheut, das Werk zu einem recht praktischen und brauchbaren zu machen.“ (Vorwort 1. Auflage 1850)

Die verschiedenen Koch-, Garten- und Haushaltsbücher von Henriette Davidis, allen voran ihr Praktisches Kochbuch, waren für viele Generationen ein „wesentliches Hülfsmittel“ in Küche und Garten – wie die Einleitung des Praktischen Kochbuch konstatierte.

 

 

Henriette Davidis und ihre Kochbücher sind auch Thema eines Beitrags in dem im Juni 2021 erstmals erscheinenden „Graugold. Magazin für Alltagskultur“ herausgegeben von Elisabeth Timm und Christiane Cantauw im Auftrag des LWL (weitere Informationen hier).